| Prolog Leseprobe
Die eisige Nachtluft war so dick, dass man sie mit der bloßen Hand 
        einfangen konnte. Sie klebte kalt an den Fingern und legte sich dann als 
        glänzender Film auf die Haut. Sie kniff und biss in die Wangen. Packte 
        die nackten Ohrläppchen, bohrte sich durch die offen liegenden Gehörgänge 
        und zerfetzte das Trommelfell. Aber die Kälte war nicht stark genug, 
        um in den Körper einzudringen. Sie konnte sich keinen Weg durch Fleisch 
        und Knochen ins Mark bahnen, dorthin, wo es brannte.Die Kälte konnte sich nur an der Oberfläche ausbreiten, und 
        das machte ihn stark. Ruhig, berechnend und stark. Gab ihm Durchblick, 
        was das Leben anging. Das Leben, das er liebte und bewahren wollte, von 
        dem er jedoch nicht wusste, ob er es fortführen könnte. Er war 
        sich auch des Lebens bewusst, das er bald auslöschen würde. 
        Des Lebens, das ihm die Zukunft geraubt hatte.
 Das Licht brannte schon so lange nicht mehr, dass er sich sicher fühlen 
        konnte. Bald würde er ins Haus gehen.
 Die Angst stellte sich unerwartet ein. Sie schwappte in raschen Wellen 
        durch seinen Körper, als er die Tür öffnete und die dunkle 
        Diele betrat. Das Angstgefühl überraschte ihn.
 Ihm kamen Zweifel, als er spürte, wie sein Herz immer schneller schlug 
        und zu zerspringen drohte. Sollte er denn wirklich aufgeben müssen? 
        Jetzt, wo er so weit gekommen war? Die Schweißdrüsen öffneten 
        sich. Schweiß strömte über seinen Rücken und aus 
        seinen Achselhöhlen. Er konnte kaum noch atmen.
 Ihm fiel ein, dass er Mantel und Schuhe ausziehen musste, denn 
        seine eigenen Kleider durften später keine Flecken aufweisen. Ehe 
        er nach oben ging wollte er einen von Jerrys Mänteln überstreifen, 
        die in der Diele hingen. Er wollte den dünnen aus Popeline nehmen, 
        der würde ihn am wenigsten behindern. Aber zuerst musste er sich 
        ein wenig ausruhen. Das Haus schlief. Er hatte Zeit genug um auf die Rückkehr 
        seiner Kräfte zu warten. Um den Kopf ein wenig an die Wand zu lehnen, 
        nur so lange, bis er sein Gleichgewicht wieder gefunden hatte. Der harte 
        Steinboden tat seinem Hintern weh. Aber es war ein gutes Gefühl, 
        als sein Herz sich langsam beruhigte und seine Lunge sich wieder mit Sauerstoff 
        füllte.Seine Augen hatten sich an die Dunkelheit gewöhnt. Er musterte die 
        angrenzendem Zimmer, hielt Ausschau nach Veränderungen. Das Licht 
        der Straßenlaternen fiel durch die kleinen Sprossenfenster. Alles 
        sah aus wie immer, als habe die Zeit stillgestanden. Die Diele mit ihrer 
        niedrigen Decke und den abgerundeten Wänden löste in ihm noch 
        immer ein Gefühl von Klaustrophobie aus. Die schmale Steintreppe, 
        die ins Obergeschoss führte war nach wie vor eine gefährliche 
        Stolperfalle, abgetreten von den verschlissenen Schuhen vieler Generationen.
 Das inzwischen sorgsam renovierte Haus mit seinen schrägen Wänden, 
        befreit von Wanzen und anderem Ungeziefer, ließ ihn an Armut und 
        Erniedrigung denken. im Grunde brachte er der Schwärmerei der kulturellen 
        Elite für die alt-schwedische Armut mit ihren unbehandelten Dielenböden, 
        ihren frischgewebten Flickenteppichen, ihren zugigen schlichten Fenstern 
        und den unverzierten Kachelöfen eine tiefe Verachtung entgegen. Es 
        war ein Suhlen in pathetischer Nostalgie. intellektuellen und Neureichen 
        vorbehalten.
 Jerrys Trenchcoat war wie erwartet ein wenig zu lang. Er reichte ihm bis 
        zu den Waden. Er knöpfte ihn bis oben zu. bückte sich und krempelte 
        seine Hosenbeine hoch, dann schlich er auf Socken lautlos ins Nebenzimmer 
        und nahm das Schwert von der Wand. Zog es aus der Scheide und fuhr sich 
        mit der Schneide über die Wange, um die Schärfe zu testen.
 Die Gummihandschuhe erlaubten ihm einen festen Griff. Er war auf dem Weg. 
        Und bald würde alles vorbei sein.
 Jerry hatte ihn offenbar gehört. Er stützte sich im Bett auf 
        die Arme und horchte gespannt. Seine nackten Schultern schimmerten bleich 
        in dem dunklen Zimmer. Er konnte nicht mehr schreien, ehe das schwere 
        Schwert seinen Nacken zerteilte.
 
 
                  
 
                    | Buchtipp |  
                    |  |   Die Waffe ließ er liegen. Er hörte, wie sie auf den Boden glitt, 
          bevor er die Treppe hinunterging, ohne sich nur einmal umzuschauen. Im 
          Schlafzimmer gab es nichts mehr, was ihn interessiert hätte. Was 
          er haben wollte, lag unten. Wenn er es gefunden hätte, könnte 
          er gehen. Und dann hätte er seine Aufgabe in diesem Haus erledigt. 
          Der Teufel war verschwunden. Jetzt blieb nur noch die Bosheit übrig.Vielen Dank an den btb Verlag für die Veröffentlichungserlaubnis.Er zog die Vorhänge zu und schaltete die Deckenlampe ein. Jetzt brauchte 
          er nicht mehr leise zu sein. Systematisch durchsuchte er die drei kleinen 
          Zimmer, ehe er das Gesuchte gefunden hatte. Er war nicht einmal versteckt. 
          In einer Schreibtischschublade, sichtbar für alle, die einen Kugelschreiber 
          suchten, lag der Grund für Jerry Hagens Hinrichtung. Ehe er ging, 
          zog er sich wieder um. Tauschte Jerrys blutüberströmten Trenchcoat 
          gegen seinen eigenen sauberen unbesudelten Mantel. Er krempelte die Hosenbeine 
          herunter und zog die Schuhe an. Öffnete noch ein Küchenfenster, 
          dann verließ er das Haus. Die Straße lag verlassen vor ihm. 
          Er steuerte Vitabergen und die Renstiernas Gata an, wo er den Wagen abgestellt 
          hatte.
 Aus Jerry Hagens Schlafzimmerfenster schaute ein schmales Gesicht, mit 
          vor Schreck wie gelähmten Augen. Es folgte dem kurzen Weg des Unbekannten, 
          den die alten Straßenlaternen beleuchteten, ehe die Silhouette vom 
          Dunkel des Parks verschluckt wurde.
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