| LeseprobePrologVerschwunden von der Erdoberfläche
 Sie war wie vom Erdboden verschluckt.Obwohl das Gelände um das Haus von Polizisten und Soldaten, von Freiwilligen 
        und Suchhunden wimmelte und obwohl man sie bald hier, bald da suchte, 
        bis zum Einbruch der fahlen Dunkelheit, war sie nicht zu finden.
 Das Ganze war ein Mysterium.
 Wo war sie?, fragte man sich. Sie hatte doch nur einen Spaziergang machen 
        wollen. Der Ehemann hatte sie ja weggehen sehen, genau wie immer, wohin 
        sie immer ging, wo war sie also, und was war eigentlich passiert?
 Spekulationen gab es viele.
 Manche dachten sofort an Selbstmord. Andere sprachen schlicht und einfach 
        von Mord. Eine dritte Theorie, lanciert von einem älteren Naturliebhaber 
        aus dem Nachbardorf, bestand darin, dass sie von einem Bären gerissen 
        und aufgefressen worden sei, das aber waren die pessimistischen Stimmen. 
        Andere wiederum fanden keinen Grund zur Annahme, dass sie überhaupt 
        tot sein sollte. Vielleicht, stellte man sich vor, hatte sie es ganz einfach 
        satt gehabt und hat sich davongemacht wie diese Männer, von denen 
        man hört, die aus dem Haus gehen, um Zigaretten zu holen, und nie 
        mehr auftauchen, Frauen und Kinder und halbfeuchte Kippen zurücklassen.
 
                  
 
                    | Buchtipp |  
                    |  |  Doch, doch, nickte man nachdenklich. Möglich war es ja, besonders 
        die Frauen im Bezirk schienen es zu glauben, und währens der Suche 
        am dritten Tag erlebte diese Interpretation einen kräftigen Aufschwung 
        auch bei den Polizisten. Da bekam nämlich ein Vertreter aus dem Ort 
        ihr Bild in der Lokalzeitung zu Gesicht und behauptete steif und fest, 
        er habe sie vor nur vierundzwanzig Stunden an einer Tankstelle gesehen, 
        kurz vor Gävle.Danke an den Scherz Verlag für die Veröffentlichungserlaubnis.Für einen halben Tag oder so geriet die Suchaktion ins Stocken. Zur 
        Hälfte verärgert, zur Hälfte erleichtert mussten die Suchtrupps 
        einsehen, dass sie vielleicht trotz allem am falschen Ort gesucht hatten 
        - bis weitere zwei beeidete Zeugenaussagen eingingen: eine, die besagte, 
        sie sei ( beinah zur selben Zeit wie in Gävle) an einem Buffet auf 
        einer der Finnlandfähren aufgetaucht, sowie eine, die etwas so Prosaisches 
        wie die Fischtheke im Domus-Laden der Stadt ins Spiel brachte.
 Nun ja. Die Leute meinten es ja nur gut, wollten im Grunde ja nur helfen. 
        Deren Schuld war es nicht, dass sie auf dem blassen, grobkörnigen 
        Zeitungsbild so unsagbar nichts sagend aussah oder dass die Angabe "in 
        Jeans und T-Shirt und Trainingsjacke" wohl auf jeden x-Beliebigen 
        zutreffen konnte.
 Nein, da konnte einem leicht ein Irrtum unterlaufen, das musste man einsehen, 
        und ein Irrtum war es, denn natürlich war sie immer noch da. Ja, 
        natürlich war es töricht gewesen zu glauben, sie habe sich davongemacht, 
        sagte man sich jetzt im Nachhinein, verheiratet, wie sie war, und in der 
        Gegend geboren und all das. Oder wie der Fahndungsleiter der Polizei es 
        am vierten Tag im lokalen Radiosender ausdrückte: Sowohl ihr eigener 
        als auch der Wagen des Ehemannes standen ja immer noch auf dem Hof, wie 
        also sollte das zugegangen sein? So weit man wusste, war sie weder mit 
        dem Bus noch mit einem Taxi gefahren noch getrampt, und wie er noch am 
        Tag zuvor habe glauben können, sie sein anderswohin gegangen, ja, 
        das sei jetzt plötzlich schwer zu verstehen. Ein Rätsel, wie 
        er sagte, und jeder, der hinhörte, konnte sein aufrichtiges Erstaunen 
        hören.
 Ein Mysterium - und so ging die eher lokale Suche weiter.
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