| 1 Leseprobe
Das Taxi hielt auf der menschenleeren Straße vor der gelb-grauen 
        Fassade des Stadthotels. Drei Männer stiegen aus dem Fond des Wagens 
        und schlugen zum Schutz gegen den Regen ihre Mantelkragen hoch. Der vierte, 
        ein grobschlächtiger Typ im Trenchcoat und mit braunem Hut, bezahlte 
        den Chauffeur und zündete seine Pfeife an, während er auf die 
        Quittung wartete. Der Portier des Hotels hatte unter dem Portal vor dem 
        Regen Schutz gesucht. Nun eilte er die vier ausgetretenen Treppen hinab, 
        um mit dem Gepäck behilflich zu sein. Keiner der Männer nahm 
        Notiz von ihm und keiner wollte ihm seinen schwarzen Handkoffer überlassen.
 »Ungemütliches Wetter heute«, sagte der Portier. Er erhielt keine 
        Antwort. Ehe er noch dazu kam, ihnen die Eingangstür zu öffnen, 
        war sie hinter dem Letzten bereits zugefallen.
 
 Er nahm seinen Posten wieder ein und spähte nach einem Zeichen von 
        Leben auf der Straße und dem Platz. Das Wetter war wirklich schauderhaft. 
        Die Stadt duckte sich unter einer Decke grauer Regenwolken, und bei der 
        geringsten Pause im monotonen Plätschern des Regens spürte man 
        die Feuchtigkeit, die vom Meer herkam. Es war Mitte Juli und über 
        zwanzig Grad warm. Am liebsten hätte er nachgesehen, was drinnen 
        im Hotel vor sich ging, aber er hatte die Anweisung, auf seinem Platz 
        zu bleiben. Die Stockholmer Journalisten konnten jeden Augenblick eintreffen.
 
 Ihn überfiel plötzlich Unsicherheit. Am Ende hatte er die falschen 
        Leute eingelassen? Er hatte von Journalisten gelesen, die sich verkleidet 
        hatten, um irgendwo hereinschlüpfen und fotografieren zu können. 
        Aber was sollten sie da drinnen schon fotografieren? Den Jungen vielleicht? 
        Das war sicher nicht erlaubt. Und außerdem war der Junge nicht mehr 
        da.
 
 Er kaute nachdenklich an einem Streichholz und ließ den Blick an 
        der grauen Häuserreihe auf der anderen Seite des Platzes entlanggleiten. 
        Hinter dem Park lag das Krankenhaus, er konnte das schwarze Dach hinter 
        den Häusern erkennen. Dort drinnen im dicht belaubten Grün des 
        Krankenhausgartens pflegten die Patienten auf den Kieswegen rund um ein 
        kleines, weißes, fensterloses Gebäude zu promenieren. Nicht 
        bei diesem Wetter natürlich. Dort war der Junge.
 
        Die Zeitungsredaktion lag schräg gegenüber vom Stadthotel. In 
        einem Fenster des zweiten Stockwerks konnte er den Redakteur Winlöf 
        sehen, der sein blasses Gesicht gegen die Fensterscheibe drückte. 
        Der Portier gab ihm mit der Hand ein Zeichen, und das Gesicht verschwand.
 Winlöf hatte mit regelmäßigen Unterbrechungen aus dem 
        Fenster gespäht, um zu beobachten, was unten passierte. Am Morgen 
        hatte er eine Weile in der Redaktion gesessen, müde und übernächtigt. 
        Den vergangenen Abend hatte er bis tief in die Nacht hinein am Telefon 
        verbracht und seine Meldungen an die Nachrichtenagentur der Zeitungen 
        durchgegeben.
 
 Nicht ohne Stolz hatte er seine Kollegen darauf hingewiesen, dass es seine 
        Nachrichten waren, die in der Abendsendung im Radio verlesen wurden und 
        nun auf den Titelseiten der Morgenblätter prangten. Seine Zeitung 
        war natürlich nicht die Erste gewesen, denn sie war ein Abendblatt 
        und ging nicht vor zwei Uhr in Druck.
 »So eine Geschichte könnte doch auch mal vor zwei passieren«, hatte 
        er gesagt.
 Der Portier sah ihn mit schiefen Schritten über die Straße 
        kommen, unter einem großen schwarzen Schirm, der im Takt seiner 
        Schritte auf und ab wippte.
 Außer Atem stand der Redakteur vor ihm: »Was waren das für 
        Leute?«
 Bevor er antwortete, spuckte der Portier das zerkaute Streichholz aus 
        und schüttelte sorgfältig die Regentropfen von seiner Uniformmütze.
 
 2
 
 Das Haus war weiß und hatte keine Fenster. Die vier Männer 
        der Mordkommission folgten Viggo Bredberg durch die schwere Eichentür 
        und warteten auf der Schwelle, bis er Licht gemacht hatte.
 Bredberg ging zur Bahre. Er hinterließ nasse Spuren auf dem Boden. 
        Vorsichtig lüftete er das Tuch, das den Körper bedeckte, und 
        entblößte ein kantiges, graubleiches Jungengesicht unter einem 
        blonden Haarschopf.
 »Die Kugel ist, wie Sie sehen, von vorne gerade durch die Stirn gedrungen«, 
        sagte er.
 Die Männer nickten, und es wurde einen Augenblick still. Viggo war 
        müde. Müder als vor zehn Tagen, als er von Stockholm weggefahren 
        war. Mit der Abendfähre am zehnten Juli war er in die Hafenstadt 
        gekommen, die nur ein Postamt, ein Kino - das Gott sei Dank in dieser 
        Saison geschlossen war - und eine Polizeiwachstube hatte, in der die Fliegen 
        friedlich um die Kaffeetassen des diensthabenden Beamten surrten. Er war 
        überarbeitet und urlaubsreif. Als eine große Filmgesellschaft 
        plötzlich fünf Tage nach ihm eintraf, hatte er ihre Ankunft 
        irritiert von der Mole aus angesehen, wo er mit seiner Angel stand, und 
        bloß gehofft, es würde ihm erspart bleiben, mit diesen Leuten 
        zu tun zu bekommen.
 Am neunzehnten Juli war ein Schuss mitten in dieser Gesellschaft gefallen. 
        Viggo fand sich in etwas hineingezogen, von dem er sich durch seine Reise 
        hierher eine Zeit lang hatte ausruhen wollen.
 Ein Mord. Ein ungewöhnlich hässlicher und trauriger Mord. Sinnlos 
        obendrein, so schien es. Der gestrige Abend war angefüllt gewesen 
        mit Untersuchungen und dem Aufstellen eines langen Verhörprotokolls. 
        Die Jagd hatte begonnen, die Jagd nach dem Mörder, der sich irgendwo 
        unter einem gleichgültigen Gesicht verbarg, und der vermutlich ebenso 
        müde war wie er selbst. Müde und voller Angst.
 »Hat denn wirklich keiner von den Filmleuten eine Ahnung, woher der Schuss 
        gekommen ist?«
 Seine Gedanken wurden von der Stimme des Kommissariatsleiters Lövgren 
        unterbrochen: »Nein, niemand hat wirklich begriffen, was passiert ist. 
        Der Schuss kann aus einem Fenster im selben Haus gekommen sein oder aus 
        der Pension nebenan. Vermutlich aus dem zweiten oder dritten Stock, wenn 
        man bedenkt, wo der Junge gestanden hat.«
 Die vier Männer näherten sich der Bahre mit dem zugedeckten 
        Körper.
 »Man kann sagen, was man will, aber eine normale Geschichte ist das nicht. 
        Mord an einem Sechzehnjährigen mitten in einer Filmaufnahme!«
 Lövgrens Stimme war laut und durchdringend, fast heiter. Na gut, 
        es war sein Beruf und es gab keinen Grund, warum er seinen Beruf nicht 
        gern ausüben sollte, auch wenn er darin bestand, Morduntersuchungen 
        zu führen. Was er empfindet, wenn er dieses Leintuch lüftet 
        und das Gesicht des Jungen sieht, ist vermutlich reine Arbeitsfreude, 
        dachte Viggo.
 »Wäre der Mörder von der anderen Seite gekommen, dann könnten 
        wir ihn vielleicht jetzt im Film verewigt sehen«, setzte Lövgren 
        fort.
 »Du kannst den ganzen Mord heute Abend im Film sehen. Um sechs, hoffe 
        ich«, antwortete Viggo trocken.
 Seine drei Kollegen starrten ihn an, und er fuhr fort: »Die Kamera lief, 
        als Krister Hermansson erschossen wurde. Wir haben die Filmrolle zur Entwicklung 
        geschickt, und sie kommt mit der Fähre um sechs Uhr zurück.«
 »Donnerwetter, du hast in den letzten Stunden aber nicht auf der faulen 
        Haut gelegen!« Claesson hatte eine Zigarette angezündet und der Bahre 
        den Rücken gekehrt.
 »Ich bleibe, bis der Film vorgeführt worden ist. Danach ziehe ich 
        mich zurück. Ich habe Urlaub, wie ihr wisst. Wahrscheinlich fahre 
        ich morgen früh von hier weg«, sagte Viggo.
 Lövgren zuckte mit den Achseln und ging zur Tür.
 
                  
 
                    | Buchtipp |  
                    |  |   Sie verließen das Haus und außerhalb des Krankenhauszaunes 
          trennte sich Viggo von den vier Männern. Es regnete immer noch stark 
          und gleichmäßig. Er überquerte den Platz, wo eine Gruppe 
          von Leuten sich vor der Auslage eines Zeitungskiosks untergestellt hatte.Danke an randomhouse/btb für die Veröffentlichungserlaubnis.»Das ist der Kriminalkommissar, der hier Urlaub macht«, hörte er 
          jemanden sagen.
 Der Mord an Krister Hermansson war so ziemlich das einzige Gesprächsthema 
          in den verrauchten Cafés unten am Hafen, im Postamt, an den Tischen 
          der Konditorei in der Nygatan und über den Verkaufstheken.
 Eine Menschentraube hatte sich vor dem Eingang des Cafés Eterna 
          gebildet und es wurde heftig diskutiert.
 »Direkt durch die Stirn! Die Pistole hatte einen Schalldämpfer, deshalb 
          hat keiner etwas gehört.« »Man hört den Schuss immer, auch wenn 
          die Pistole einen Schalldämpfer hat!«
 »Was weißt denn du von Pistolen?«
 Die beiden jungen Männer in Lederjacken begannen zu streiten. Auch 
          bei den anderen gingen die Meinungen auseinander.
 »Er hat zehn Schüsse abgekriegt. Eine von den Schauspielerinnen hat 
          was mit ihm gehabt.« »Red keinen Unsinn, der Knirps war doch erst dreizehn.«
 »Er war vierzehn!«
 »Sechzehn.«
 »Wisst ihr, dass der Film Mord mit Musik heißen sollte? Die müssen 
          die Aufnahmen jetzt abbrechen.« »Ohne den Jungen können sie nicht 
          weiterdrehen. Er hatte die Hauptrolle.«
 »Blödsinn, er war nur ein Statist.«
 »Die wissen schon, wer es getan hat.«
 »Wer denn?«
 »Der Musiker, der mitgefilmt hat.«
 »Der Jammerlappen? Der kann doch keine Fliege erschießen.«
 »Kennst du ihn?«
 »Was man eben so kennen nennt. Es ist doch klar, dass.«
 »Der Junge ist mit dem Regisseur aneinander geraten. Und der war so wütend 
          auf ihn, dass er ihn fast erwürgt hätte.«
 »Er ist vom Dach heruntergestürzt, ganz durchlöchert von Kugeln. 
          Wie ein Sieb. Und niemand hat was gehört. Weil die Pistole einen 
          Schalldämpfer hatte.«
 »Der Junge soll ein großartiger Schauspieler gewesen sein.«
 »Er war doch bloß ein Statist, zum Teufel!«
 »Ich habe gehört, er hat mehrere Hunderter pro Tag gekriegt. Er hatte 
          ein Verhältnis mit einer von den Schauspielerinnen.«
 »Ein einziger Schuss und es war auf der Stelle aus mit ihm! Vom Dach ist 
          er hinuntergefallen.«
 »Eine von den Schauspielerinnen war's.«
 »Staffan Wingman ist auf und davon. Alle sagen, er hat es getan.«
 »Ich habe ihn vorigen Sommer im Volkspark gehört.«
 »Das Einzige, was man hören konnte, war ein scheußliches Zischen. 
          Dann kam der Junge heruntergesaust. Bloß so ein Zischen, von dem 
          Schalldämpfer. Er war sofort tot. Niemand hat kapiert, dass er erschossen 
          worden war.«
 »Es heißt, der Dreh wird abgebrochen.«
 »Ich war ganz nah dran und konnte es genau sehen. Schuss auf Schuss. Der 
          Junge hat versucht vom Dach hinunterzuspringen.«
 »Wisst ihr, ob der Musiker es getan hat? Die Polizei weiß nichts.«
 »Wartet auf den Film heute Abend, er kommt mit der Sechsuhrfähre. 
          Die haben den ganzen Mord gefilmt.«
 
 Gleich nach sechs Uhr abends kamen die Mitglieder der Mordkommission zusammen 
          mit Viggo Bredberg zum Kino Rote Mühle. Einige Neugierige hatten 
          sich vor dem Eingang versammelt, gingen aber zögernd auseinander, 
          als die fünf Männer durch die Doppeltür verschwanden, die 
          hinter ihnen versperrt wurde.
 Ein Bediensteter machte Licht in dem leeren Zuschauerraum, und Viggo nahm 
          Platz. Neben ihn setzte sich Lövgren auf einen der knarrenden Sitze. 
          Ihm bereitete das Ganze sichtlich Vergnügen.
 »Eigentlich ist es recht eigenartig; einen Mord, den man zu bearbeiten 
          hat, im Film vorgeführt zu bekommen. Nur schade, dass die Kamera 
          zur falschen Seite gewendet stand.«
 »Erwarte bloß nicht zu viel. Die ganze Rolle ist nicht länger 
          als hundertfünfzig Meter und es sind die letzten dreißig Meter, 
          die für unseren Fall in Betracht kommen.«
 Viggos abweisende Haltung behagte Lövgren nicht besonders. »Gib wenigstens 
          zu, dass es eigenartig ist«, sagte er.
 Der einzige Außenstehende, der bei der Vorführung anwesend 
          sein durfte, war der Direktor der Filmgesellschaft, Sven Fredberg. Er 
          kam später als die anderen, grüßte und setzte sich, nervös 
          auf dem Sitz auf und ab wippend. Der kleine, rundliche Mann mit dem grauen 
          Haar und den klaren, wasserblauen Augen wirkte peinlich berührt.
 Es wurde dunkel im Zuschauerraum und nach einem Augenblick strömte 
          eine Flut weißen Lichts aus dem Projektionsraum. Langsam glitten 
          die beiden schmutzig gelben Vorhanghälften auseinander, und die leeren 
          Vierecke flimmerten auf der Leinwand. Ohne Übergang kamen die ersten 
          Szenen: einige lose Brocken der Handlung eines ziemlich banalen Thrillers, 
          der in einem Badeort spielte. Krister Hermanssons Gesicht starrte den 
          Zuschauern in einer Großaufnahme entgegen. Es war ein helles, offenes 
          Jungengesicht mit einem breiten, lachenden Mund und ungekämmtem Schopf, 
          der in die Stirn fiel, wenn er sich bewegte. Er hatte keine große 
          Rolle gehabt. Im Film spielte er einen Vierzehnjährigen, und er sah 
          auch sehr jung aus für seine sechzehn Jahre.
 »Ich kann nicht begreifen, warum ihn jemand erschießen wollte«, 
          seufzte Fredberg. Niemand antwortete ihm.
 »Der Ton ist nicht drauf«, erklärte er, »aber das spielt ja auch 
          keine Rolle für die Szene, die wir sehen werden. Sie ist stumm.« 
          Er beugte sich im Sitz nach vorne und berührte Oberwachtmeister Svenbergs 
          Arm. »Da. jetzt kommt es!«
 Auf der Leinwand sah man einen kräftigen Arm, der eine schwarze Schiefertafel 
          hielt mit der Aufschrift: Szene 225 F 52 19/7, stumm. Die Klappe verschwand 
          samt dem Arm aus dem Bild. Im Gesichtsfeld erschien nun ein schöner 
          und gepflegter Villengarten mit Obstbäumen und großen Päonienbüschen. 
          Im Hintergrund sah man einen Geräteschuppen, umgeben von grünem 
          Laubwerk, und oberhalb des Dachs ragte Krister Hermanssons blonder Kopf 
          in die Höhe.
 Man hörte ein Stöhnen von Fredberg. »Es ist entsetzlich!«
 Viggo trocknete sich mit dem Taschentuch die Stirn. Es war verdammt warm 
          im Kino.
 Krister Hermansson hatte sich aufs Dach hinaufgezogen. Vorsichtig richtete 
          er sich auf und balancierte mit ausgestreckten Armen. Er hielt den Blick 
          auf ein Ziel im Hintergrund, oberhalb der Kamera, gerichtet.
 »Er sollte einem Mann nachspionieren, der im ersten Stock des Hauses saß«, 
          erklärte Fredberg. Er wurde rasch zur Ruhe ermahnt.
 Der Junge stand immer noch mit ausgebreiteten Armen, um das Gleichgewicht 
          auf dem schmalen Dachfirst zu bewahren. Er starrte auf einen Punkt hinter 
          der Kamera, in gleicher Höhe mit seinem eigenen Kopf.
 Nun drückte sein Gesicht Erstaunen aus, das allmählich in unverkennbares 
          Entsetzen überging. Die sechs Männer im Zuschauerraum betrachteten 
          sein Gesicht und hielten den Atem an. Alle wussten, dass das kein Spiel 
          mehr war. Das Entsetzen, das er in diesem Augenblick fühlte, war 
          echt und grenzenlos. Er hatte in das Gesicht seines Mörders geblickt 
          und dessen Absicht erkannt.
 In ein paar Sekunden war alles vorbei. Man sah den Jungen vom Dach hinabstürzen 
          und in das Gras vor der Scheune fallen. Leute eilten zu ihm hin, eine 
          Frau warf den Kopf zurück, und ihr Mund bildete ein O, ohne dass 
          man einen Laut hörte. Eine Minute lang hatte die Kamera weitergesurrt, 
          und ihr Auge hatte das Chaos um den Körper des toten Jungen herum 
          registriert. Das Bild begann zu flimmern, die Filmrolle war zu Ende.
 Das Licht ging langsam aus und die sechs Männer wandten sich blinzelnd 
          einander zu. Fredberg brach das Schweigen.
 »Keiner hat am Anfang begriffen, was geschehen ist. Ich kam fast sofort 
          danach angelaufen, da ich durch das Fenster gesehen habe, dass etwas passiert 
          ist - aber einen Schuss habe ich auch nicht gehört. Nur diesen Laut, 
          einen unheimlichen, zischenden Laut, der sehr deutlich in der Stille der 
          Aufnahme zu hören war. Niemand hat daran gedacht, die Polizei zu 
          alarmieren. Erst haben wir natürlich nach einem Arzt geschickt, um 
          zu sehen, ob der Junge noch zu retten ist. Ich nehme an, es vergingen 
          etwa zehn Minuten, bis jemand daran gedacht hat, die Polizei anzurufen. 
          Der Mörder hat also reichlich Zeit gehabt, zu verschwinden.«
 »Oder sich unter die Filmleute zu mischen«, ergänzte Lövgren.
 »Wie bitte?«
 »Nach der Lage der Dinge muss der Schuss direkt von vorne gekommen sein, 
          von dem Fenster, zu dem der Junge seiner Instruktion gemäß 
          blicken sollte«, bemerkte Svenberg.
 »Also von dem Raum, in dem sich der Trompeter aufgehalten hat.«
 »Demnach müssen wir zuallererst ihn festnehmen.« »Aber ich verstehe 
          nicht.« Fredberg hatte sich erhoben. Sein Gesicht war bleich und schweißbedeckt. 
          »Es kann unmöglich Staffan Wingman sein, der das getan hat! Krister 
          und er hatten absolut nichts miteinander zu tun. Sie trafen sich zum ersten 
          Mal bei dieser Aufnahme.«
 »Auf jeden Fall müsste Staffan Wingman uns einiges zu erzählen 
          haben, wenn wir ihn zur Stelle schaffen.«
 Lövgrens Stimme klang unverändert unternehmungslustig. »Jetzt 
          lassen wir uns das Ganze nochmals vorführen, damit wir sehen, ob 
          wir entscheiden können, woher der Schuss kam.« Viggo erhob sich gemächlich. 
          »Tja«, sagte er, »dann gehe ich also.«
 »Du kannst deinen Urlaub brauchen, alter Junge!«
 Er schüttelte Fredberg, der auf seinem Sitz zusammengesunken war, 
          die Hand.
 »Das ist eine vollkommen trostlose Geschichte! Ich wünschte, Sie 
          könnten die Untersuchung fortsetzen, Herr Kommissar.«
 »Die Herren hier werden sicher ihr Bestes tun, um die Sache aufzuklären, 
          darauf können Sie sich verlassen«, versetzte Viggo.
 »Nochmals vom Anfang!«, rief Lövgren. »Hej, Viggo, lass es dir gut 
          gehn! Ruh dich mal ordentlich aus!«
 Seine Stimme drückte kein übertriebenes Bedauern aus.
 
 Viggo spazierte langsam heim durch die Stadt. Er hatte ein kleines Haus 
          für seinen Urlaub gemietet, ein gelbes Haus, umgeben von Kastanien 
          und Eichen. Er wusste, das Beste wäre, es am nächsten Morgen 
          zu verlassen und weit weg von der Stadt zu fahren, in der Krister Hermansson 
          ermordet worden war.
 Wenn er seinen Urlaub haben wollte!
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