| Larmoyant und lahm - "Was Gott nicht sah", muss "man" nicht lesen "Was Gott nicht sah" von Helena von Zweigbergk
Gun Johansson ist wegen Mordes an ihren Nachbarn Håkan 
          und Lotta verurteilt und sitzt im Frauengefängnis. Dort wird sie 
          von ihren Mitgefangenen geschnitten, und niemand möchte etwas mit 
          ihr zu tun haben. Auch die Psychotherapeutin Ingeborg und die Sozialarbeiterin 
          Laila kommen nicht an Gun heran. Nur zu Ingrid, der Gefängnispfarrerin, 
          fasst Gun nach und nach Vertrauen. Ingrid beginnt daraufhin, auf eigene 
          Faust zu ermitteln und nähert sich der Wahrheit. Dabei muss sie 
          um ihren Glauben und ihre Prinzipien fürchten.
 Mit einer Gefängnispfarrerin in der Hauptrolle spielen religiöse 
          Begriffe wie Schuld und Sühne, Strafe, Gut und Böse naturgemäß 
          eine große Rolle. "Pastorenzicke" Ingrid plagen zudem 
          große Selbstzweifel, die auch nicht gerade kleiner werden, als 
          ihr Glaube im Verlauf der Ermittlungen auf eine harte Probe gestellt 
          wird. Auch die Geduld des Lesers wird einer Bewährungsprobe unterzogen, 
          denn Ingrids karges Leben, ihre Selbstkasteiungen und ihre Gebete zu 
          Gott machen "Was Gott nicht sah" zäh zu lesen. Spannung 
          kommt kaum auf, auch nicht, wenn Ingrid aufgrund ihrer Nachforschungen 
          selbst in Gefahr gerät.
 
 Alle Figuren bleiben in diesem Debütroman Helena von Zweigbergks 
          Schablonen ihrer selbst. Keine, auch nicht Gun oder Ingrid, gewinnen 
          im Verlauf der Erzählung an Format, um ein richtiger Charakter 
          zu werden. Sie wirken - trotz oder gerade wegen ihrer Geschichte - blutleer 
          und wie aus dem Psycho-Baukasten zusammengesetzt. Insbesondere Protagonistin 
          Ingrid ist eine echte Herausforderung für den Leser. Denn Ingrid 
          steckt voller Selbstzweifel, Minderwertigkeitskomplexe und emotionaler 
          Defizite, dass es für eine Protagonistin einfach zu viel ist. Diese 
          Ingrid hinterlässt einen larmoyanten und blassen Eindruck.
 
 Zwei Hände voll Probleme und seelischer Nöte reichen nicht 
          aus, um daraus eine psychologische Charakterstudie zu machen. Ingrid 
          Carlberg bleibt bis zur letzten Seite trotz aller Bemühungen fremd. 
          Ein emotionaler Bezug will sich nicht herstellen, und man ist erleichtert, 
          wenn man von dieser jämmerlichen Gestalt, der es zudem bei allen 
          Problemen an emotionaler und psychologischer Tiefe fehlt, nichts mehr 
          zu lesen braucht. Ingrid und Gun haben damit so gar nichts gemein mit 
          ihren Seelenverwandten, den Charakteren Karin Fossums, der Meisterin 
          des psychologischen Krimis aus dem Norden.
 
 Auch der Plot selbst ist wenig spannend. Dafür ist er umso bemühter, 
          das Schwarz-Weiß-Bild, das zuvor peu à peu entworfen wurde, 
          anzukratzen. Doch wirkt das sehr angestrengt. So als ob Helena von Zweigbergk 
          sich plötzlich selbst bewusst wurde, dass sie hier Gefahr läuft, 
          Klischees zu zitieren, die es nun auf den letzten Metern zumindest noch 
          ein wenig zu widerlegen gilt.
 
 
 
                  
 
                    | Buchtipp |  
                    |  |   "Was Gott nicht sah" ist damit alles in allem ein anstrengendes 
          und lahmes Debüt. Nicht auf der psychologischen, geschweige denn 
          auf der reinen Handlungsebene spannend oder mitreißend. Wer sich 
          auf Ingrid, die Pfarrerin, einlassen will, sollte mental in entsprechend 
          religiöser Stimmung und hoch leidensfähig sein .Vielen Dank an Alexandra Hagenguth
 © Juni 2004 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien
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