Schwäbische Kochrezepte beginnen ja angeblich mit den Worten "Man  borge sich...".
          Dieser alte Kalauer ist das erste, was einem bei der  Lektüre von Jan Wallentins Thrillerdebüt Strindbergs Stern in den  Sinn kommt. Bei Dan Brown ist die Machart entlehnt: Man nehme historische  Ereignisse und Personen sowie viel Mystisches und Okkultes, verbinde das Ganze  mit der Gegenwart und verarbeite alles zu einer Verschwörung, die nichts  weniger als das Wohl der Menschheit bedroht. Das Motiv der in  kupfervitriolhaltigem Grubenwasser konservierten Leiche stammt aus E.T.A.  Hoffmanns Erzählung "Die Bergwerke zu  Falun", von Liza Marklund der Sound, mit dem Wallentin seine  Zeitungsredaktion beschreibt. Stieg Larsson steuerte exzellente  Computerkenntnisse, ein fotografisches Gedächtnis und bestimmte Züge zweier  Frauenfiguren bei. Die Nutzung naturwissenschaftlicher Phänomene für die  Konstruktion des Plots ist bei Umberto Ecos "Das Foucaultsches  Pendel" geborgt. Diese Versatzstücke – andere LeserInnen mögen noch andere  finden – werden ohne jedes Augenzwinkern verwendet.          
          
           "Ich wusste, dass ich über Andrées Ballonfahrt (ext. Link)  schreiben  wollte, und mich interessierten nazistischer Okkultismus und  Verschwörungstheorien", so Jan Wallentin in einem Interview (ext. Link). Mit großer Begeisterung führt uns der Autor auf Sven  Hedins Expedition in die chinesische Hochwüste Takla Makan (1895), auf die  bereits erwähnte Nordpolexpedition von 1897, auf das Schlachtfeld im belgischen  Ypern, wo die Deutschen 1915 einen verheerenden Giftgasangriff unternahmen, in  den Kreis um den Okkultisten Heinrich Himmler (der vor allem Chef der deutschen  Polizei war) auf der Wewelsburg und in das KZ Ravensbrück, wo die SS im Auftrag  der Wehrmacht viehische medizinische Versuche an den gefangenen Frauen  unternahm. Diese Passagen sind mit Sachkenntnis geschildert, ergeben aber noch  keinen guten Plot. Dafür ist die Gegenwartsebene zu beliebig. Die schwedische  Polizei ist brunzdumm, Deutschland ein Hort von Neonazis und Neuheiden, Belgien  ein durch und durch mißgelauntes Land, und in Rußland kann man für Geld alles  kaufen. Die Beliebigkeit ist in der Hauptfigur Don Titelman auf die Spitze  getrieben. Dieser, traumatisiert vom Schicksal seiner Großmutter im Holocaust,  ist ein tablettenabhängiger Arzt (so etwas hat man erst kürzlich im  schwedischen Thriller "Der Hypnotiseur" (hier unsere Rezension) gelesen)  und auf Mythengeschichte spezialisierter Historiker, der im ununterbrochenen  Drogennebel durch die Geschichte taumelt und am Ende das Geheimnis von Stern,  Henkelkreuz und Bunsenbrenner auflöst. Dem Buch hätte etwas mehr  Gedankenschärfe nicht geschadet.
          
            
            
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            Strindbergs Stern war bereits vor seinem Erscheinen in 14  Länder verkauft. Der deutsche Verlag hat dem Werk eine eigene Website www.strindbergsstern.de eingerichtet.  Derartige Marketinganstrengungen erzeugen natürlich gewisse Erwartungen an die  Qualität des Produkts, die nur bedingt erfüllt werden; immerhin kann Jan  Wallentin erzählen. Womöglich setzen die Verleger vor allem auf die  Marktgängigkeit von Nazigeschichten. Interessant ist, das das Buch in Schweden  nicht gut aufgenommen wurde. Die Urteile reichen von "zusammengeschustert"  (ext. Link) über "haarsträubend" (ext. Link) bis hin zu "ganz schlimm" (ext. Link).
            Im Mutterland des skandinavischen Krimis findet eine intensive Debatte über die  Qualität des schwedischen Krimis in allgemeinen und über die Qualität der  Exportschlager im besonderen statt, die in Deutschland kaum zur Kenntnis  genommen wird und sich leider auch nicht durchgängig in der Qualität der  Importe niederschlägt.
            
            Vielen Dank an Dr. Kerstin Herbst aus Berlin
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