Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
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Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
 
Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
Hier können Sie Probelesen in einem Wallander-Krimi-Buch des Bestseller-Autoren Henning Mankell.
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Der Mann, der lächelte.
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ISBN 3552049916
381 Seiten
Zsolnay Verlag Wien
gebunden
Originaltitel:
Mannen som log
Übersetzung:
Erik Gloßmann

Kurzbeschreibung

Von Selbstzweifeln geplagt, ist Komissar Wallander schon im Begriff, den Dienst zu quittieren, als ihn ein neuer Fall aus seiner Depression reißt. Ein befreundeter Anwalt bittet ihn um Hilfe, weil sein Vater nachts mit dem Auto tödlich verunglückt ist. Der Sohn des Toten, Sten Torstensson, glaubt nicht an einen Unfall. Niemals wäre sein Vater bei Nebel zu schnell gefahren, und außerdem hatte er in letzter Zeit oft erregt und beunruhigt gewirkt. Zwei Wochen später ist Sten Torstensson ebenfalls tot ...

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Leseprobe

Nebel

Er schleicht lautlos heran wie ein Raubtier, dachte er. Ich werde mich nie daran gewöhnen, dachte er, obwohl ich mein ganzes Leben in Schonen verbracht habe, wo der Nebel die Menschen ständig in Unsichtbarkeit versinken läßt.

Es war am 11. Oktober 1993, neun Uhr abends.
Der Nebel zog rasch vom Meer her auf. Er war auf dem Heimweg nach Ystad und hatte Brösarps Backar passiert, als sein Wagen direkt in den weißen Dunst hineinfuhr. Sofort wurde er von Panik erfasst. Ich fürchte mich vor Nebel, dachte er. Dabei sollte ich eher den Mann fürchten, den ich eben auf Schloß Farnholm besucht habe. Diesen freundlichen Mann, dessen Mitarbeiter sich stets diskret im Hintergrund halten, damit ihre Gesichter im Schatten bleiben. Irgendwie bedrohlich. An ihn sollte ich denken, denn ich weiß nun, was sich hinter seinem freundlichen Lächeln verbirgt, hinter dieser Maske des unbescholtenen, über jeden Verdacht erhabenen Bürgers. Vor ihm sollte ich mich fürchten, nicht vor dem Nebel, der aus der Bucht von Hanö herantreibt. Jetzt, da ich weiß, dass er nicht zögert, Menschen zu töten, die ihm im Wege stehen.

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Er ließ die Scheibenwischer laufen, denn in der Feuchtigkeit beschlug die Frontscheibe ständig. Er fuhr nicht gern im Dunkeln. Die Fahrbahn reflektierte das Scheinwerferlicht, so dass er kaum die Hasen erkennen konnte, die vor ihm über die Straße wirbelten. Ein einziges Mal, vor über dreißig Jahren, hatte er einen Hasen überfahren. Es war auf dem Weg nach Tomelilla an einem Frühlingsabend. Er erinnerte sich daran, wie sein Fuß zu spät auf die Bremse getreten hatte . Es folgte der sanfte Stoß gegen die Karosserie. Er hatte angehalten, war ausgestiegen und zu dem Hasen gelaufen, der ihn ununterbrochen anstarrte. Der Körper schien bereits gelähmt, nur die Hinterläufe zappelten noch. Er hatte sich gezwungen, nach einem Stein zu suchen, und die Augen geschlossen, als er den Hasenschädel zertrümmerte. Dann war er zum Wagen zurückgegangen, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Die Augen des Hasen und die wild strampelnden Läufe hatte er nicht vergessen können. Er war das Bild einfach nicht losgeworden. Er sah es immer wieder vor sich, ganz unvermutet.
Er versuchte, das Unbehagen abzuschütteln.
Ein Hase, der seit dreißig Jahren tot ist, kann einen Menschen verfolgen, ohne damit Schaden anzurichten, dachte er. Ich habe mit den Lebenden mehr als genug zu tun. Plötzlich wurde ihm bewusst, dass er ungewöhnlich oft in den Rückspiegel schaute. Wieder dachte er: Ich habe Angst. Jetzt erst wird mir klar, dass ich auf der Flucht bin. Ich fliehe vor dem, was sich hinter den Mauern von Schloss Farnholm verbirgt. Und ich weiß, dass sie wissen, dass ich weiß. Aber wieviel? Genug, um sie zu beunruhigen: Ich könnte den Eid brechen, den ich einst als junger Anwalt nach dem Examen abgelegt habe, zu einer Zeit, als der Eid noch eine heilige Verpflichtung beinhaltete. Fürchten sie das Gewissen eines alten Anwalts? Es blieb dunkel im Rückspiegel. Er war allein im Nebel. In einer knappen Stunde würde er wieder in Ystad sein. Der Gedanke erleichterte ihn für einen Augenblick. Sie waren ihm also nicht gefolgt. Morgen würde er entscheiden, was zu tun war. Er würde mit seinem Sohn sprechen, der als sein Teilhaber ebenfalls in der Kanzlei tätig war. Es gab immer eine Lösung, das hatte ihn das Leben gelehrt. Also mußte auch diesmal eine zu finden sein. Er tastete im Dunkeln, um das Radio anzustellen. Eine Männerstimme erklang und berichtete über neue gentechnische Erkenntnisse. Die Worte strömten durch sein Bewusstsein, ohne sich festzusetzen. Er schaute auf die Uhr; es war gleich halb zehn. Im Rückspiegel war es immer noch schwarz. Der Nebel schien dichter zu werden. Dennoch erhöhte er vorsichtig den Druck aufs Gaspedal. Mit jedem Kilometer, den er zwischen sich und Schloß Farnholm brachte, fühlte er sich ruhiger. Vielleicht war seine Furcht trotz allem unbegründet?

Er versuchte, sich zu klarem Denken zu zwingen.
Wie hatte es angefangen? Ein Routinegespräch am Telefon, ein Zettel auf seinem Schreibtisch: Ein geschäftlicher Vertrag mußte dringend durchgesehen werden. Der Name des Mannes war ihm unbekannt. Aber er hatte zurückgerufen; ein kleineres Anwaltsbüro in einer unbedeutenden schwedischen Stadt konnte es sich nicht leisten, Kunden leichthin abzuweisen. Er erinnerte sich gut an die Stimme am Telefon: erfahren, mittelschwedischer Dialekt, präzise, wie die eines Mannes dessen Zeit kostbar ist. Es ging um eine komplizierte Transaktion, um eine auf Korsika registrierte Reederei und um Zementtransporte nach Saudi-Arabien, wo eine seiner Firmen als Agentin für Skanska tätig war. Vagen Andeutungen zufolge sollte ein Moschee in Khamis Mushayt erbaut werden. Oder auch eine Universität in Jeddah. Einige Tage später hatten sie sich im Hotel Continental in Ystad getroffen. Er war zeitig gekommen und hatte an einem Ecktisch Platz genommen. Das Restaurant war eigentlich noch geschlossen, der jugoslawische Kellner schaute mürrisch durch die hohen Fenster. Es war Mitte Januar. Ein stürmischer Wind blies von der Ostsee her; bald würde es schneien. Der sonnengebräunte Mann im dunkelblauen Anzug, der auf ihn zukam, schien höchstens fünfzig Jahre alt zu sein. Irgendwie passte er weder zum Januarwetter noch nach Ystad. Er war ein Fremdling, mit einem Lächeln, das nicht richtig zu dem braungebrannten Gesicht gehörte. Das war die erste Erinnerung an den Mann von Schloss Farnholm. An einen Mann ohne Eigenschaften im blauen Maßanzug, ein ganz eigenes Universum, in dessen Zentrum das Lächeln stand. Die drohenden Schatten waren wie unauffällige Satelliten gewesen, die ihn wachsam umkreisten.
Die Schatten waren also bereits damals dagewesen. Er konnte sich nicht erinnern, ob sie sich einander überhaupt vorgestellt hatten. Sie saßen an einem Tisch im Hintergrund und waren nach Beendigung des Treffens schweigend aufgestanden.


Buchtipp
Camilla Läckberg - Die Eishexe: Kriminalroman (Ein Falck-Hedström-Krimi 10)

Die goldene Zeit, dachte er bitter. Ich war dumm genug zu glauben, dass es so etwas gibt. Die Vorstellungswelt eines Anwalts darf nicht von Illusionen über ein zu erwartendes Paradies getrübt werden., zumindest nicht hier und jetzt. Nach einem halben Jahr verdankte die Kanzlei dem sonnengebräunten Mann die Hälfte ihrer Einkünfte, nach einem Jahr hatten sich die Gesamteinnahmen verdoppelt. Die Überweisungen kamen pünktlich, nie mußte eine Mahnung geschickt werden. Sie konnten sogar das Haus renovieren, in dem sich das Büro befand, und alle Transaktionen schienen legal zu sein, wenn auch kompliziert und vielschichtig. Der Mann von Schloß Farnholm schien seine Geschäfte von allen Kontinenten aus zu dirigieren , die Orte wirkten willkürlich gewählt. Oft kamen Faxmitteilungen und Anrufe, manchmal auch Funksprüche, aus seltsamen Städten, die er auf dem Globus, der neben dem Ledersofa im Besucherzimmer stand, kaum finden konnte. Aber es schien eben alles legal zu sein, wenn auch schwer nachzuvollziehen. Die neue Zeit, hatte er gedacht. So sieht sie aus. Und als Anwalt muß ich unendlich dankbar sein, daß der Mann von Schloß Farnholm im Telefonbuch gerade auf meinen Namen gestoßen ist. Seine Gedanken wurden abrupt unterbrochen. Für einen kurzen Augenblick glaubte er an Einbildung. Dann nahm er die beiden Scheinwerfer im Rückspiegel wahr. Der Wagen hatte sich herangeschlichen und war bereits sehr nahe. Sofort kehrte die Furcht zurück. Sie waren ihm also gefolgt. Sie argwöhnten, er könnte seinen Eid brechen und anfangen zu reden. Sein erster Impuls war, Gas zu geben und durch den weißen Nebel zu entfliehen. Schon rann ihm der Schweiß am Körper herunter. Die Lichter waren jetzt dicht hinter seinem Auto.
Die Schatten, die töten, dachte er. Ich entkomme ihnen nicht, genausowenig wie ein anderer. Dann wurde er überholt. In dem vorbeifahrenden Wagen erkannte er undeutlich das graue Gesicht eines alten Mannes. Schnell verschwanden die roten Rücklichter im Nebel. Er zog ein Taschentuch aus der Jackentasche und trocknete sich Stirn und Nacken. Bald bin ich zu Hause, dachte er. Nichts wird geschehen. Frau Dunèr hat eigenhändig im Kalender vermerkt, dass ich heute Farnholm besuche. Niemand, nicht einmal er, schickt seine Schatten aus, um einen älteren Anwalt auf dem Heimweg zu töten. Das wäre zu riskant.

Danke an den Zsolnay Verlag für die Veröffentlichungserlaubnis.
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