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            |  | Hier können Sie Probelesen in 
              einem Buch des Autors Roy Jacobsen. |  | 
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              am See BESTELLEN
 
 Taschenbuch
 220 Seiten
 btb Verlag
 Erscheinungsdatum:
 1998
 ISBN: 3442722136
 Originaltitel:
 "Det Nye Vannet"
 Übersetzung:
 Gabriele Haefs
 | Kurzbeschreibung  Die Mörder sind unter uns. Davon ist Jo, 
                der Außenseiter und Sonderling, den niemand für voll 
                nimmt, überzeugt. Doch Jon ist nicht dumm, auch wenn alle 
                ihn dafür halten. Er schmiedet seine eigenen Pläne, 
                um in dem Treibhausklima der kleinen, isolierten Kleinbürgergemeinde, 
                in der er gemeinsam mit seiner Schwester Elisabeth, einer Lehrerin, 
                zu Hause ist, zu überleben. Elisabeth pflegt ein kompliziertes 
                Verhältnis zu einem verheirateten Kollegen und möchte 
                am liebsten aufs Festland abwandern. Jon haßt sowohl den 
                Liebhaber als auch die Umzugspläne - und tut alles, um Sand 
                ins Getriebe zu streuen. In einer anderen Angelegenheit scheint 
                sich seine Beharrlichkeit zunächst nicht auszuzahlen: Jon 
                ist davon überzeugt, daß seine Jugendliebe Lisa nicht 
                nur einfach verschwunden ist und sich im fernen Kopenhagen herumtreibt, 
                wie alle behaupten, sondern daß sie ermordet im Fjord liegt 
                und daß daran ihr Vater, ein reicher Sägewerksbesitzer, 
                nicht ganz unschuldig ist. Doch erst als er seinen eigenen Selbstmord 
                vortäuscht, wird gesucht - und tatsächlich stößt 
                man auf eine Leiche. Es ist Lisa ...Stimmen:Eine verschwundene Frau, ein verschrobener Mann, eine heiße 
                Affare: Im Treibhausklima der kleinen isolierten Gemeinde am See 
                fehlt nur noch ein Mord - als dann tatsächlich eine Leiche 
                gefunden wird, bricht die Fassade der Wohlanständigkeit zusammen 
                und die ersten Schuldzuweisungen machen die Runde.
 "Er ist einer der bedeutendsten norwegischen Autoren der Gegenwart." 
              sagt Jostein Gaarder über Roy Jacobsen
 
 "Eines der besten Bücher von Jacobsen: subtil, raffiniert, 
              aus einem Guß." sagt Einar Karason
 
 
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       Leseprobe
Jon wurde davon geweckt, daß das Gewehr aus seinen 
          Händen rutschte und zu Boden fiel. Er war angezogen eingeschlafen, 
          im Sessel. Ein neuer grauer Tag zog hinter den Vorhängen herauf. 
          Es war vier Uhr. Steif erhob er sich und hielt nach Elisabeth Ausschau. 
          Aber das Essen stand unberührt auf dem Tisch, und ihr Bett war 
          leer. Er schaltete die Wohnzimmerlampen und die Videokamera ein."Ich warte schon seit über sechs Stunden", sagte er mit 
          Schmollmiene. "Du wolltest um zehn Uhr zurück sein. Und jetzt 
          ist es..."
 Er dachte nach. Und gähnte. Die Reste eines blassen Traums glitten 
          an seinem inneren Auge vorbei. "Ich gehe auf Jagd", sagte 
          er und hielt das neue Gewehr vor die Linse: "Hier siehst du. Sechs 
          Schuß. Zielfernrohr, Nußbaumholz-finnisch. Du möchtest 
          wohl wissen, was das gekostet hat, was? Haha. Aber das ist mein Geheimnis."
 Als seine Mutter noch lebte, hatte er ihr alles Neue gezeigt, Gekauftes 
          wie Selbstgemachtes. Jetzt zeigte er es seiner Schwester Elisabeth.
 Sie lebten allein in dem Haus, das sein Großvater gebaut hatte, 
          je nachdem, wie die Fischfanggeschäfte gingen, hier ein Brett, 
          dort ein Brett, ganz fertig wurde es nie. Jon wohnte schon sein ganzes 
          Leben lang hier. Er legte an, stellte das Zielfernrohr ein und zog ab. 
          Dann ging er in die Küche, schrieb einen Zettel, legte ihn auf 
          den Tisch, zog seine Jacke an und ging. Es war Herbst geworden. Ein 
          dünner Nebel hing über dem weiten Moorgelände. Ein Schauder 
          lief über seinen schlaftrunkenen Körper.
 
 Er ging südwärts, über einen Schafspfad, das Meer lag 
          im Westen, die blauschwarzen Berge zeichneten sich wie ein Schatten 
          vor dem Osthimmel ab. Eine halbe Stunde später stand er am Nordende 
          des Tümpels. Er watete durch einen kleinen Bach und legte die letzten 
          Meter auf allen vieren zurück. Von einer kleinen Anhöhe aus 
          sah er die Schilfkante auf der anderen Seite, das Ufer vor ihm, und 
          die erst kürzlich urbar gemachten saftiggrünen Grasflächen. 
          Er kroch zu einer neuen Anhöhe weiter und drückte sich unter 
          ein Gestrüpp.
 Zehn Minuten vergingen. Dann kam die Gänseschar. Durch den Nebel, 
        auf rauschenden Schwingen, wie immer. Die Vögel beschrieben am Himmel 
        einen weiten Bogen, erst nach Süden, dann nach Westen, übers 
        Meer, bis über den Rand seines Blickfeldes hinaus, dann zurück 
        - ihre Schreie flogen vor ihnen her -, dann landeten sie auf einer der 
        Wiesen am anderen Ufer. Mehr als zwanzig Tiere, perfekte Schußweite 
        - knapp unter zweihundert Metern.
 Er suchte sich die größte aus, den Ausguck, sah sie sich 
          genau an, ließ das Fadenkreuz über die unbewegliche Brust 
          wandern, über den gewölbten Hals, ließ es in den starrenden 
          schwarzen Augen ruhen, einige wenige Sekunden, dann ließ er es 
          wieder zum Bauch hinabwandern, hinauf zum Auge, auf und ab in langsamen, 
          zögernden S-Formen. Der Ausguck steht in der Regel still, oft wie 
          im Scherenschnitt, er ist ein schönes Ziel, aber er ist immer alt 
          und zäh und fast nicht mehr genießbar, dachte er. Er ließ 
          das Kreuz zum nächsten grasenden Jungtier weiterwandern, fand die 
          gesprenkelte Brust und drückte ohne zu zögern ab. Ein Flügel 
          jagte nach oben, zitternd und weiß im grauen Licht, der Schuß 
          rollte über die Moore, und die Gänseschar flog auf und verschwand 
          zusammen mit dem Echo.
 
 Jon war es heiß. Er ging um den Tümpel herum und betrachtete 
          den toten Vogel. Der hatte einen fast unsichtbaren Tupfer im Federkleid, 
          dort, wo die Kugel eingeschlagen war, ihr Austrittspunkt war ein roter 
          Pilz, fast schon zu groß, aber doch kleiner als die Krater, die 
          sein altes Gewehr hinterlassen hatte. Jon öffnete die Flügel 
          der Gans und überlegte sich, daß Elisabeth nie erfahren würde, 
          wie tüchtig er war. Er hatte es ihr immer wieder gesagt, aber wer 
          kann schon von der köstlichen Präzision zwischen Finger und 
          Abzughahn berichten, von der gutgeschmierten Maschinerie, die die Sekunden 
          zum richtigen Augenblick eintickt, den Anschlag, die Stille, das darauffolgende 
          Krachen, das sich in alle Richtungen verbreitet? Nein. Außerdem 
          war Elisabeth ein ganz und gar phantasieloser Mensch. Sie war Lehrerin, 
          an der Grundschule im Dorf, sie korrigierte Aufsätze und schrieb 
          Zeitungsartikel, machte ihn durch ihre langen, komplizierten Liebesgeschichten 
          einsam, mit ihren unzähligen Freunden, die sie zu Besprechungen 
          und Komitees mitschleppten; nur ein paar schnöde Nachmittagsstunden 
          konnte sie für ihn erübrigen, und oft nicht einmal die.
 
 Er wiederholte alles auf einer Wiese weiter im Süden. Neue Flügel, 
          neues Echo. Sein Bauch war naß, verschwitzt. Das grasende Geschnatter 
          füllte seine Ohren. Er erlegte den dritten Vogel am Rande eines 
          ausgedehnten Weidendickichts, der vierte saß direkt vor ihm in 
          einem Bachlauf. Und dann war es plötzlich Tag, und alles war still. 
          Das Licht hing schwer über den Mooren, die scheuen Vögel waren 
          verschwunden, vermutlich zu einer der kleineren Inseln.
 
 Auf dem Heimweg drehte er eine Runde ums Langevann. Und während 
          er an den steilen Berghängen im Süden und Osten herumkletterte, 
          behielt er die beiden Taucher im Auge, die an der neuen Wasserleitung 
          der Gemeinde arbeiteten. Die Talsperre lag einige hundert Meter weiter 
          oben in den Bergen, und die Leitung zog sich durch die Scharte. Sie 
          sollte durch das Wasser und die Moore das Gemeindezentrum im Norden 
          erreichen.
 Die beiden Männer standen in einem Boot, in Ufernähe auf der 
          anderen Seite. Sie bückten sich in schreiend-orangefarbenen Taucheranzügen 
          über die Reling und zogen an einem Tau. Etwas weiter im Norden, 
          wo der Hang langsam abflachte, standen die Ruinen des alten Hofs. Jon 
          ging hin und legte sich auf die verrotteten Balken unter den Bodenbrettern, 
          um die Männer beobachten zu können. Mit angelegter Waffe und 
          gestützt auf eine der morschen Latten, kam er nah an sie heran. 
          Die Taucher unterhielten sich laut miteinander, und ihre Stimmen trugen 
          weit in der Stille. Das Tau ragte wie eine Schlange aus der perlgrauen 
          Wasseroberfläche - vermutlich lösten sie gerade die Vertäuungen 
          der alten Rohrleitung.
 
 
 
                  
 
                    | Buchtipp |  
                    |  |          Dann glitt ein Schatten unter den Steven, und sie zogen nicht mehr. 
          Sie unterhielten sich auch nicht mehr. Einer fiel mit einem Aufschrei 
          im Boot nach hinten, der andere wandte sich ab.Danke an den btb Verlag für die Veröffentlichungserlaubnis.
 Jon erhob sich schußbereit, preßte sein Auge ans Okular 
          und sah, daß der Schatten im Wasser Ähnlichkeit mit einem 
          Menschen hatte. In seinem Kopf war minutenlang alles still. Er sank 
          zwischen den Balken in sich zusammen, unten im Gestrüpp, das wild 
          zwischen den moosüberwucherten Mauern wuchs. Er konnte die Tropfen 
          von den Felsblöcken fallen hören, er hörte das leise 
          Rauschen der Birken; er konnte den gewaltigen Himmel sehen, die Möwen 
          in der Feme, über dem Meer, die Berge - und doch hatte er das Gefühl, 
          nicht da zu sein.
 Und dann stand er wieder. Wie die Taucher. Sie standen im Boot und redeten 
          leise miteinander. In der Tiefe unter ihnen sah er noch immer etwas, 
          das Ähnlichkeit hatte mit weißer Haut, einen Arm mit deutlichen 
          Fingern, und eine dunkle, wogende Bewegung, sicher von Haaren.
 
 Er lachte kurz, schüttelte den Kopf und kniff die Augen zusammen. 
          Der Anblick blieb derselbe.
 
 Als sie lange genug diskutiert hatten, fing der eine Taucher vorsichtig 
          an zu ziehen, der andere bugsierte einen Sandsack auf die Reling - ein 
          Gewicht, um die Wasserrohre unten zu halten. Sie ruderten im Halbkreis 
          um die Gestalt herum, fischten mit einem Bootshaken auf der anderen 
          Seite die Vertäuung aus dem Wasser, schnitten beide Enden durch, 
          verknoteten beides um den Sandsack und ließen es in die Tiefe 
          sinken - er sah alles, jede einzelne kleine Bewegung. Und der Schatten 
          verschwand.
 Es folgten einige Minuten unbeweglicher Stille. Die Taucher saßen 
          auf den Ruderbänken und rauchten. Dann ruderten sie weiter, als 
          sei nichts geschehen.
 Jon robbte durch Pfützen und nasses Gras, zur Rückseite der 
          Ruine. Er kroch durchs Geröll hinauf zum Birkenwald und war nicht 
          mehr zu sehen. Er rannte nach Hause.
 Im Korb auf dem Küchentisch lag seine Nachricht, unberührt. 
          Seine Spucke schmeckte nach Salz und Eisen, seine Kleider stanken nach 
          Moorwasser und Schweiß. Solange er rannte, hatte er etwas zu tun. 
          Jetzt stand er still und kämpfte mit seiner heftigen Erregung.
 "Jetzt bist du auch nicht hier", sagte er anklagend in die 
          Videokamera. "Was bist du überhaupt für eine Schwester, 
          immer unterwegs und dauernd beschäftigt?"
 Er ließ Gänse und Gewehr auf den Boden fallen und lief vor 
          der toten Linse im Kreis herum. Er weinte vor Verwirrung und kam sich 
          bedroht vor - jemand hatte es auf ihn abgesehen.
 Das machte er eine halbe Stunde lang. Dann brach er im Sessel zusammen 
          und schlief ein, erwachte wenige Sekunden später und fing an, sich 
          auszuziehen.
 Er sah sich im Spiegel, sah draußen den neuen Tag, vielleicht 
          einen der klarsten in diesem Herbst, sah die Gänse und das geronnene 
          Blut auf dem Resopaltisch, das neue Gewehr, die Videokamera, sein Zuhause 
          - mit oder ohne Elisabeth - doch, es war da. Wie es das immer gewesen 
          war, alles. Er konnte schlafen.
 
 Und als sich etwas später an diesem Morgen die Haustür öffnete, 
          war er schon nicht mehr da. Ihre Schritte auf dem Flur, die vertrauten 
          Geräusche, während sie sich auszog, nachsah, ob das Feuer 
          im Ofen noch brannte, die Pantoffeln unter der Bank vorzog, das Geräusch 
          von tuscheln- dem Filz auf den abgenutzten Treppenstufen, schließlich 
          das leise Klicken der Tür - das alles hörte er nicht.
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