Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
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Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
 
Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde

Interview mit dem Autoren Willy Josefsson

Doppelmoral oder der andere Weg des Erzählens?

Es war noch sehr früh, und Willy Josefsson war doppelt müde: Es war erst ein paar Wochen her, dass sein Sohn geboren wurde und die Nächte sind seitdem entsprechend kurz und unruhig.
Doch nach einem Kaffee und einem Muffin tauchte er langsam auf. Ein Gespräch mit ihm in seinem Malmöer Lieblingscafe, im Schatten des alten Gustavs (Insider wissen jetzt Bescheid)...

Frank Keil, unser Interviewer vom Dienst führte mit dem Autoren ein interessantes Gespräch.
Willy Josefsson
Der Autor Willy Josefsson
© schwedenkrimi.de
Wie haben Sie Ihre Figur des Martin Olsson geplant?

Ich habe ihn nicht geplant. Er entwickelte sich einfach. Ich weiß nicht, ob Sie sich mit der schwedischen Geschichte auskennen, mit der Idee des "Folkhem". Es war die Vorstellung, die die Sozialdemokraten in den Vierzigern entwickelten: Schweden sollte ein gemütliches Heim für alle werden. Martin Olsson ist der letzte aus dieser Zeit. Er repräsentiert den Niedergang dieser Idee; er steht für etwa, das in Schweden immer mehr verschwindet: Nett zu sein, gerecht und hilfsbereit. Er ist einfach ein sympathischer Kerl. So haben wir uns in Schweden immer gesehen; so wollten wir uns sehen. Wir alle wollten so sein wie Martin Olsson. Eine schwedische Version von Humprey Bogart.

Olsson ist eine interessante Doppelfigur: Er ist Polizeibeamter und er ist es auch wieder nicht ...

Dafür gibt es einen Grund: Ich mag diese üblichen Polizeigeschichten nicht. Sjöwall und Wahlöö haben vor mehr als dreißig Jahren etwas Interessantes gemacht: Sie haben die klassische Detektivgeschichte mit der klassischen Polizistengeschichte verknüpft und mit Gesellschaftskritik angereichert. Was der Fehler dabei war: Von diesem Zeitpunkt an gab es keine echten Detektivgeschichten mehr in Schweden. Sjöwall/ Wahlöö erzählten immer wieder, wie es am Arbeitsplatz eines Polizisten aussieht und da gibt es nichts mehr hinzu zu fügen. Alles ist darüber gesagt worden. In allen ihren Büchern passiert am Ende das Gleiche. Was dazu kommt: Ich weiß nichts über Polizeiarbeit. Und was vielleicht noch schlimmer ist: Es interessiert mich nicht. Was mich interessiert: Warum begehen Menschen ein Verbrechen? Was sind ihre Motive? Besonders wenn sich abzeichnet, dass sie immer mehr in eine Situation geraten, wo ein Verbrechen geschehen muss; früher oder später.

Ihr Buch "In jenen dunklen Tagen" führt tief in die schwedische Vergangenheit zurück ...

Alle meine Bücher erzählen von den Folgen von Doppel-Moral. Wenn du das eine sagst, aber das andere tust. Da begeht jemand ein Verbrechen und kommt davon. Damals vor Jahrzehnten hat er eine junge Frau umgebracht. Aber sie wollen es nicht aufdecken, denn der Täter ist gleichzeitig in geheimdienstliche Aktivitäten verwickelt. Also wird dieser Täter gedeckt. Der Mordfall an sich ist erfunden; aber die politischen Hintergründe sind authentisch. Wir gaben uns damals politisch neutral sind - und im selben Moment kooperierten wir mit westlichen Geheimdiensten. So ist es in allen meinen Büchern: Es gibt ein gesellschaftliches Thema und drum herum baue ich eine erfundene Geschichte.

"Das Zeichen des Mörders" ist erstaunlich aktuell ...

Es gibt in Schweden tatsächlich im Untergrund eine medizinische Versorgung für die Flüchtlinge, die sich versteckt halten müssen. Man schätzt ihre Zahl auf etwa 3.000. Und einer meiner Helden in diesem Buch ist eben ein Arzt, der diesen Menschen helfen will, die eben auch mal krank werden. So wie im Buch ist es natürlich nicht passiert. Es gibt allerdings ähnliche Fälle, ja; und eines Tages kann es auch genau so passieren, wie ich es geschildert habe.

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Ihr Held ist ein sehr einsamer Mensch. Er ist pensioniert. Er sitzt alleine in seinem Haus. Niemand ist da. Immer steht eine Flasche Tobasco auf dem Tisch ...

Er vernichtet einfach jedes Essen, dass sich ihm nähert. Ich selbst mache das nicht. Aber ich habe einen Kollegen, einen Journalisten - den Namen verrate ich jetzt nicht - der macht es auch so. Ja, Olsson ist ein sehr einsamer Mann. Und dann lernt er diese junge Journalistin kennen, Cecilia. Und es gibt plötzlich Momente große Nähe - aber nichts passiert. Denn Martin Olsson ist irgendwie alte Schule. Er ist schüchtern, er ist ja auch viel älter als sie. Er hat etwa Angst, dass er lächerlich wirken könnte, wenn er mal weint. Das alles ist sehr sehr schwedisch. Einige Kritiker haben es "die langsamste Liebesgeschichte der Kriminalliteratur" genannt. Und das stimmt absolut.

Es ist nicht einfach mit den beiden.

Martin Olsson ist wirklich der letzte seines Standes. Alles wendet sich gegen ihn. Die Kriminalität wächst in einer Weise, die ihm nicht mehr gefällt. Und auch mit den Frauen kommt er nicht recht zurecht. Er ist ein Mann, der sich in einer Zeit großer Veränderung bewegt. Alles um ihn herum verändert sich. Er wird älter und er versteht nicht so ganz, was da vor sich geht. Er schaut sich diese Veränderungen sehr skeptisch an. Große Trauer liegt über ihm. Das alte Schweden verschwindet. Die Liebesgeschichte ist im Grunde eine Metapher für das, was in Schweden passiert und das, was mit Schweden passiert.

Er ist der alternde Ex-Ermittler, sie ist die junge, aufstrebende Journalistin.

Das hat natürlich einen simplen Grund: Wenn du keine Polizeigeschichten schreiben willst, wer soll an all die Fakten und Informationen herankommen, die ein Krimi braucht? Ein Bäcker oder Fischer oder jemand der im Büro arbeitet, wie soll der Hintergründe ermitteln? Martin Olsson ist ein Ex-Polizist. Er hat natürlich seine ehemaligen Kollegen, aber die sind nicht immer hilfreich.

Man erfährt nicht viel über Martins Vergangenheit. War er mal verheiratet, was tat er früher ...

Nein. Nein.

Warum ...?


Buchtipp
Camilla Läckberg - Die Eishexe: Kriminalroman (Ein Falck-Hedström-Krimi 10)
Ich will einfach Geschichten schreiben, die hier beginnen und dort enden. So brauche ich keine Hintergründe. Ich nehme die Augen von Martin und alles was geschieht, sieht der Leser durch seine Augen. Die anderen Menschen, man erfährt nichts über sie. Es gibt zwei Möglichkeiten etwas über sie zu erzählen: Man schreibt, was sie sagen und was sie tun. Wir wissen nicht, was sie denken. Wir können uns dazu etwas ausdenken, aber wirklich wissen tun wir es nicht. Das ist mein Verständnis von Realismus.

Martin und Cecilia sind gewissermaßen drinnen und draußen; und dazu ein Paar ...

Ja. Das ist sehr angenehm für mich als Schreibenden. Sie sind am Anfang Freunde. Im nächsten Buch verlieben sie sich und es endet ziemlich übel.

Und wie geht es weiter?

Oh. Ich habe gerade ein neues Buch abgeschlossen. Es musste fertig werden, bevor mein Sohn zur Welt kam. Es war ein wenig ein Wettlauf. Er wuchs heran und ich musste das Buch fertig haben. Ich bereite meine Bücher sehr sorgfältig vor. Wenn du eine Detektivgeschichte schreibst, musst du genau wissen, wie sie endet, bevor du den ersten Satz schreibst. Und die Fakten müssen gut recherchiert werden. Wenn das getan ist, geht es ans Schreiben. Ich versuche immer ein Buch in hundert Tagen zu schreiben.

Hundert Tage?

Da gibt es keinen freien Tag. Samstag, Sonntag, jeden Tag wird geschrieben. Es gelingt mit nie, ich scheitere immer. Es werden immer mehr als hundert, aber ich versuche es. Diesmal wurden es vier Monate; also 120 Tage.

Ihr Schweden ist ein wenig durcheinander geraten ...

In Schweden müssen die öffentlichen Einrichtungen, die Schulen, die Krankenhäuser, die Ämter derzeit alle sparen. Auch die Polizei muss sparen. In der Polizeiwache von Ängelholm kann man jetzt Räume mieten. Sogar die Zellen. Tatsächlich! Die Polizeistation dort - und das ist eine Tatsache - schließt um vier Uhr nachmittags. Und wenn man danach anruft, wird der Anruf in eine andere Stadt weiter geleitet, etwa nach Helsingborg. Auch wenn man die Türglocke drückt - antwortet jemand aus Helsingborg. Unglaublich, aber wahr. Und das ist für Martin natürlich eine schlimme Sache. Ausgerechnet hier, wo er lebt.

Die Gegend ist sehr wichtig. Dieser Flecken namens Ängelholm ...

Es ist ein kleines Fischerdorf. Niemand fischt mehr dort, nur ich. Gleich hinter dem Ort beginnen die schwedischen Wälder. Viele Deutsche haben hier ihre Ferienhäuser. Deswegen verkaufe ich so viele Bücher in Deutschland. Die können in ihrer Sprache ein Buch lesen, das von hier erzählt, wo sie im Urlaub waren. Ich versuche sehr korrekt mit den Ortsangaben zu sein. Ein Grund ist, dass ich selbst hier geboren bin und hier auch aufwuchs. Also versuche ich natürlich eine Art Portrait dieser Gegend zu machen, die ich sehr mag. Es gibt sonst nichts Literarisches über diese Gegend. Ich glaube nur ein einziges Buch, irgendwie aus den Vierzigern. Und natürlich ist es ein Trick, wenn man so genau mit Orten und Namen ist: Die Leser müssen mir einfach glauben, wenn selbst die einzelnen Straßen stimmen.

Das Gespräch führte Frank Keil, vielen Dank für die Erlaubnis das Interview hier beim Literaturportal schwedenkrimi.de zu veröffentlichen.
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