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                  | Liza 
                    Marklund - Foto: Alexandra Hagenguth/schwedenkrimi.de |  |   
            |  |  Gleichstellung, Politik an der Kühltruhe, Terrorismus und die 
          Pressefreiheit - Liza Marklund im Gespräch mit dem Literaturportal 
          schwedenkrimi.de Anlässlich ihrer Buchpräsentation im Rahmen 
          der Veranstaltungsreihe "Mord am Hellweg" sprach die Erfolgsautorin 
          mit Literaturportal schwedenkrimi.de über "Der rote Wolf" 
          und darüber, was es heißt, prominent zu sein.
 Literaturportal schwedenkrimi.de:
 In Ihrem neuesten Roman "Der rote Wolf" geht es um Terrorismus. 
          Die Idee dazu bekamen Sie jedoch nicht erst nach dem 11. September 2001, 
          sondern bereits 1996. Was war damals der Auslöser?
 
 Liza Marklund:
 Ich war damals Chefredakteurin für eine Tageszeitung, die durch 
          unsere Kulturministerin eingestellt wurde. Anlass dafür war ein 
          neues Gesetz, wie ich es in "Der rote Wolf" auch beschreibe. 
          Sie tat das, weil sie von anderen, unter anderem von der Eigentümerfamilie 
          eines anderen Medienunternehmens, unter Druck gesetzt wurde. Ich fand 
          es schrecklich, dass mächtige Leute in der Lage waren, Politiker 
          derart zu erpressen. Ich dachte, was für eine Macht muss derjenige 
          über Politiker haben, die unbedingt etwas aus ihrer Vergangenheit 
          verbergen wollen. Ich begriff auch, dass alles Gerede der Eigentümerfamilie 
          über Demokratie und Meinungsfreiheit nur leeres Gerede war. Es 
          ging ausschließlich um den eigenen Machterhalt. Dieses Szenario, 
          das ich dann ein wenig veränderte, nutzte ich also als Hintergrund 
          für meinen Roman. Schließlich erfand ich neben den vier tatsächlichen 
          Traumata Schwedens noch ein fünftes, nämlich dass eine militärische 
          Flugzeugbasis 1969 in die Luft gesprengt wurde. Ich ließ dieses 
          Attentat unaufgeklärt und machte es zum Auslöser für 
          Annikas Recherchen. Gleichzeitig wollte ich der Frage nachgehen, wie 
          weit Politiker, Medienunternehmen und Menschen überhaupt bereit 
          sind zu gehen, um ihre Macht zu erhalten. Meine Recherche über 
          die 60er/70er-Jahre ergab schließlich, dass zu dieser Zeit die 
          maoistische Bewegung in Schweden recht stark war. Also ließ ich 
          meine Figuren einen maoistischen Hintergrund haben.
 
 Literaturportal schwedenkrimi.de:
 Für die Kulturministerin Karina Björnlund aus "Der rote 
          Wolf" hat, das erwähnten Sie gerade selbst, eine echte Ministerin 
          Pate gestanden, Marita Ulvskog. Wie hat sie das denn aufgenommen?
 
 Liza Marklund:
 Das weiß ich ehrlich gesagt nicht. Ich habe nicht mit ihr gesprochen.
 
 Literaturportal schwedenkrimi.de:
 Wie viel von Marita Ulvskog hat denn die Figur der Karina Björnlund?
 
 Liza Marklund:
 Also, beide sind aus Luleå und beide haben einen Hintergrund als 
          Maoist. Ich versuche, der Wahrheit so nah wie möglich zu kommen, 
          denn ich finde, manchmal kommt man der Wahrheit mit der Fiktion viel 
          näher als mit Fakten. Schreibt man Artikel, muss man alles mit 
          Fakten beweisen können. Ist man als Schriftsteller tätig, 
          hat man die Möglichkeit, ein wenig dazu zu erfinden und dennoch 
          ganz nah an der Wahrheit zu bleiben. Manchmal holen einen die Wahrheit 
          und die Realität auch ein.
 
 Literaturportal schwedenkrimi.de:
 Welche Gemeinsamkeiten und welche Unterschiede gibt es denn Ihrer Ansicht 
          nach zwischen dem Terrorismus der 60er und 70er Jahre und dem heutigen, 
          meist islamistisch-fundamentalistischen, Terrorismus?
 
 Liza Marklund:
 Es gibt große Unterschiede, aber auch einige gemeinsame Eigenschaften. 
          Ich glaube, das Wichtigste für Menschen ist, von einer Gruppe akzeptiert 
          zu werden. Sie wollen um jeden Preis irgendwohin gehören. Sie suchen 
          ein geistiges Zuhause. Sie brauchen Bestätigung, sie brauchen jemanden, 
          der sie sieht. Ich glaube, das war kennzeichnend für diese Leute 
          in den 60ern. Sie suchten das Gefühl der Solidarität, die 
          Gruppenzugehörigkeit und das Gefühl, etwas zu tun, etwas zu 
          verändern und dabei zu sein. Die Gruppe dient dann als Spiegel 
          ihrer selbst. Ähnliches gilt auch für Osama bin Laden und 
          andere Terroristen dieser Art. Auch sie wollen gesehen werden und zu 
          jemandem gehören. Aber gefährlich wird es dann, wenn diese 
          Leute keinen Platz in der Gesellschaft finden und sich ihre Gemeinschaft, 
          ihre Gruppenzugehörigkeit außerhalb der Gesellschaft suchen. 
          Genauso wie auch die Fußball-Hooligans. Diese Leute nutzen ein 
          Fußballspiel, um sich anschließend zu prügeln, aus 
          Ermangelung an anderen Aktivitäten und weil sie sonst von der Gesellschaft 
          nicht gesehen, nicht wahrgenommen werden. Das ist krank! Osama bin Laden 
          und seine Gefolgsleute sind nicht nur sehr kranke Menschen, sondern 
          hier hat die Gemeinschaft die Züge einer sehr kranken und gefährlichen 
          Sekte angenommen!
 Literaturportal schwedenkrimi.de:Was hat denn dann dazu geführt, dass der schwedische Terrorismus 
          der 60er Jahre nicht dem deutschen, spanischen oder italienischem gefolgt 
          ist und terroristische Vereinigungen wie die RAF, ETA oder die Roten 
          Brigaden hervorgebracht hat?
 
 Liza Marklund:
 Darüber habe ich viel nachgedacht, denn in Norwegen beispielsweise 
          ist es ganz anders verlaufen. Ich glaube, es liegt daran, dass wir die 
          schwedischen "Terroristen" in unsere Gemeinschaft integriert 
          haben. Sie sitzen heute in der Regierung. Andere besitzen heute Unternehmen 
          und haben ganz andere Ansichten als damals
 Wieder andere sind 
          Journalisten oder Schriftsteller geworden. Sie waren damals das Sahnehäubchen 
          der 68-er Bewegung in Schweden und haben heute in aller Regel sehr mächtige 
          Positionen.
 
 Literaturportal schwedenkrimi.de:
 Macht beinhaltet die Gefahr von Machtmissbrauch, wie es auch in "Der 
          rote Wolf" von Ihnen thematisiert wird. Hier gibt es sehr viele, 
          die ihre Macht missbrauchen, nicht zuletzt Annika. Zum Schluss gibt 
          es einen regelrechten Showdown zwischen ihr und Chefredakteur Schyman. 
          Am Ende scheint keiner von beiden als Sieger daraus hervorzugehen. Im 
          Gegenteil, beide sind erpressbar. Wie wird das ihre Beziehung in der 
          Zukunft beeinflussen?
 
 Liza Marklund:
 Ja, darüber kann man nachdenken
 
 Literaturportal schwedenkrimi.de:
 Müssen wir uns bis zum nächsten Buch gedulden?
 
 Liza Marklund:
 Japp! Mich hat interessiert zu sehen, was Annika als 
          Journalistin tut, wenn sie die Gelegenheit zum Machtmissbrauch erhält.
 
 Literaturportal schwedenkrimi.de:
 Annika war sich auch voll bewusst, was sie tat, als sie ihre Macht missbrauchte, 
          um eine Rivalin los zu werden. Wie ist es denn jetzt um Annikas Integrität 
          im Nachhinein bestellt? Ist niemand gegen Machtmissbrauch immun?
 
 Liza Marklund:
 Exakt! Ich denke, wenn man stark genug bedrängt wird, missbraucht 
          jeder seine Macht. Das wollte ich zeigen.
 
 Literaturportal schwedenkrimi.de:
 Für Annikas Recherche spielt das so genannten "Öffentlichkeitsprinzip", 
          wie es so nur in Schweden existiert, eine wichtige Rolle. Aber dieses 
          "Öffentlichkeitsprinzip" hat auch Nachteile, wie Sie 
          sie selbst in "Mia" und "Asyl", der Fortsetzung 
          zu "Mia", beschreiben. Warum ist es Ihrer Ansicht nach dennoch 
          wichtig und richtig, dass es dieses "Öffentlichkeitsprinzip" 
          gibt?
 
 Liza Marklund:
 Das Öffentlichkeitsprinzip funktioniert ausgezeichnet - jedenfalls, 
          wenn es nicht missbraucht wird. Und nur, weil einige dieses Prinzip 
          missbrauchen, kann man es nicht abschaffen. Man muss stattdessen diejenigen 
          beseitigen, die es missbrauchen und die Möglichkeit zum Missbrauch 
          abschaffen. Wir haben in Schweden eigentlich exzellente Möglichkeiten, 
          verfolgte und misshandelte Frauen zu schützen. Was im Fall Mia 
          nicht funktioniert hat, war, dass so viele von Behördenseite aus 
          geplappert haben. Wenn die Krankenkasse und der Sozialdienst einfach 
          den Mund halten und keine Daten, die der Geheimhaltung unterliegen, 
          ausplappern würden, würde es ausgezeichnet funktionieren. 
          Dort gibt es viel zu häufig Personal, das einsame Beschlüsse 
          nach eigenem Gutdünken fasst. Da, beim Personal, liegt das Problem, 
          nicht beim Öffentlichkeitsprinzip.
 
 Literaturportal schwedenkrimi.de:
 Wie sähe denn die Gesellschaft aus, die am meisten Ihren Vor- und 
          Einstellungen entspricht?
 
                  
 
                    | Buchtipp |  
                    |  |            Liza Marklund:Autorin:Für den Anfang würde es genügen, wenn Männer und 
          Frauen wirklich gleichgestellt wären. Da sähe die Gesellschaft 
          schon ganz anders aus. Ich habe eine Freundin, die Forscherin ist und 
          sich mit der Frage weiblicher Macht in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft 
          beschäftigt. Ich habe sie gefragt, wie die Gesellschaft aussehen 
          würde, wenn wir die tatsächliche Gleichstellung von Mann und 
          Frau erreicht hätten. Forscher antworten nicht gerne auf solche 
          Fragen, doch schließlich antwortete sie, dass vor allem die Anzahl 
          der Scheidungen sinken würde, da es vor allem die Frauen sind, 
          die sich scheiden lassen wollen, da sie ihrer Männer überdrüssig 
          sind. Es würde weiter beinhalten, dass die Lebenserwartung der 
          Männer steigen würde, denn häufig lassen sie sich nach 
          einer Scheidung gehen; der Alkoholmissbrauch würde aufgrund geringerer 
          Scheidungen ebenfalls sinken, die Ausgaben der Krankenkassen würde 
          sinken, weil die Leute länger gesund blieben, Gewalt und Misshandlungen 
          gegen Frauen würden abnehmen, weil das häufig die Gründe 
          für eine Scheidung sind oder die Gewalt nach einer Scheidung ausgeübt 
          wird; auch die Umwelt würde profitieren, denn häufiger als 
          Männer sind es Frauen, die - auch unbezahlt - aktiv im Umweltschutz 
          arbeiten. Eigentlich würde es allen besser gehen: die Lebensqualität 
          und die Lebenserwartung von Männern und Frauen würde steigen 
          und auch den Kindern würde es ohne Scheidung besser gehen, sodass 
          letztlich viel mehr Geld übrig bliebe für Steuersenkungen 
          oder um es für wichtige Projekte zu nutzen. Dass es nicht zu einer 
          vollständigen Gleichstellung von Mann und Frau kommt, dafür 
          sorgen wiederum ein paar wenige, aber sehr mächtige Männer, 
          die ihre Macht keinesfalls aus der Hand geben wollen.
 
 Literaturportal schwedenkrimi.de:
 Wie nahe kommt denn Schweden diesem idealen Bild?
 
 Liza Marklund:
 Davon ist auch Schweden noch ganz schön weit entfernt. Die Regierung 
          hat 1998 eine Untersuchung anstellen lassen und herausgefunden, dass 
          es bis zur vollständigen Gleichberechtigung von Mann und Frau noch 
          157 Jahre braucht - jetzt sind wir also nur noch 151 Jahre davon entfernt
 
 Literaturportal schwedenkrimi.de:
 Noch mal zum aktuellen Roman zurück: Thomas, Annikas Mann, arbeitet 
          im Buch in einer Projektgruppe mit, die Gewalt und Drohungen gegen Politiker 
          untersucht. Auch dieses Thema wurde mit dem Mord an Anna Lindh sehr 
          aktuell. Wie groß ist Ihrer Meinung nach die Gefahr für die 
          Demokratie von dieser Seite?
 
 Liza Marklund:
 Ich glaube, Demokratie muss jeden Tag aufs Neue erobert werden. Das 
          ist ein Klischee, aber ich glaube daran. Wir können uns nicht zurücklehnen 
          und sagen, jetzt haben wir die Demokratie, jetzt können wir nach 
          Hause gehen. Demokratie muss ständig diskutiert werden. Gerade 
          auch nach dem Mord an Anna Lindh diskutiert man in Schweden sehr intensiv, 
          ob Politiker jederzeit für das Volk zugänglich sein müssen, 
          ob sie z.B. an der Kühltheke im Supermarkt mit den Leuten über 
          den Irak-Krieg diskutieren müssen. Ich persönlich finde, wenn 
          die Ministerin an der Kühltheke mit einer Packung Milch in der 
          Hand steht, ist das nicht der richtige Ort, die Irak-Frage zu diskutieren, 
          denn vermutlich ist sie gerade auf dem Weg nach Hause zu ihren Kindern, 
          um ihnen Pfannkuchen zu backen. Wenn man den Raum der Politiker immer 
          weiter einengt, dann besteht die Gefahr, dass die Leute ganz einfach 
          nicht mehr die Kraft für diesen Job aufbringen. Dann werden aber 
          nur noch diejenigen Politiker, die die Kraft haben, dem Druck standzuhalten 
          und die am stärksten und am härtesten, aber nicht mehr notwendigerweise 
          auch die besten sind. Ich denke auch an Anna Lindh, mit der ich befreundet 
          war. Ich glaube nicht, dass sie hätte Leibwächter haben wollen. 
          Sie hat diesen Platz, diesen Freiraum', gebraucht.
 
 Literaturportal schwedenkrimi.de:
 Sie sind selbst eine öffentliche Person mit sehr dezidierten Ansichten. 
          Sind Sie als Journalistin oder Schriftstellerin jemals bedroht worden?
 
 Liza Marklund:
 Ja, die ganze Zeit.
 
 Literaturportal schwedenkrimi.de:
 Aber das ist doch furchtbar?
 
 Liza Marklund:
 Man gewöhnt sich mit der Zeit daran.
 
 Literaturportal schwedenkrimi.de:
 Wie nahe darf man also Prominenten kommen? Der europäische Gerichtshof 
          in Straßburg hat ja im Juni dieses Jahres im so genannten Caroline-Urteil 
          festgelegt, dass Fotos rein privater Natur, die nicht zu einer Debatte 
          von allgemeinem, öffentlichen Interesse beitragen, nicht veröffentlicht 
          werden dürfen. In Deutschland hat das in den Medien großes 
          Entsetzen hervorgerufen, weil eine der Kernfunktionen des Journalismus', 
          die so genannte Wächterfunktion, auf dem Spiel stehe. Die Glaubwürdigkeit 
          von Prominenten könne so nicht mehr überprüft werden. 
          Was sagen Sie als Journalistin und prominente Schriftstellerin dazu? 
          Wie nahe darf man Ihnen kommen?
 
 Liza Marklund:
 Wir haben in Schweden sehr wenige Paparazzi. In dieser Hinsicht kann 
          man die deutsche und die schwedische Presse nicht miteinander vergleichen. 
          Hinzu kommt, dass ich nicht zur "Celebrity Staff" gehöre: 
          Ich gehe nie zu Premieren - außer meine Tochter spielt im Film 
          mit, wie zuletzt geschehen -, ich lasse mich von dieser Promi-Welt nicht 
          vereinnahmen. In dieser Hinsicht bin ich keine öffentliche Person. 
          Alle meine Personenangaben sind in Schweden auch geschützt, und 
          über meine Familie und mein Privatleben spreche ich nie in Interviews. 
          Ich lasse auch nie Journalisten zu mir nach Hause. Meine Familie ist 
          nicht öffentlich. Öffentlich spreche ich nur über meine 
          Ansichten und meinen Beruf, aber private Informationen über mich 
          gibt es nur, insofern sie für die Arbeit wichtig sind. Das akzeptiert 
          auch die Presse in Schweden. Ich habe ja selbst lang genug im Medienbetrieb 
          gearbeitet und weiß damit umzugehen. Spontan finde ich allerdings, 
          dass das Urteil sehr merkwürdig ist und ich finde es auch sehr 
          unbehaglich, dass ein Gericht dem Fotografen vorschreibt, wo er Fotos 
          zu machen hat. Man soll Fotos machen können, wo man will - wenn 
          man sich in der Öffentlichkeit bewegt.
 
 Literaturportal schwedenkrimi.de:
 Auch wenn diese Fotos ganz privat Caroline beim Reiten zeigen?
 
 Liza Marklund:
 Aber es zwingt sie doch keiner Prinzessin von Monaco zu sein! Soll sie 
          doch aufhören und in einer Bäckerei Brötchen verkaufen! 
          Da hat sie bestimmt keine Fotografen vor der Ladentheke stehen. Königlich 
          zu sein, ist eine freiwillige Entscheidung. Wenn es anstrengend ist, 
          königlich zu sein, soll sie doch einfach damit aufhören.
 
 Literaturportal schwedenkrimi.de:
 Frau Marklund, vielen Dank für das Gespräch!
 Alexandra Hagenguth/
 © Oktober 2004 - Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur 
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