| Dort draußen gibt es eine Welt, die uns völlig fremd ist "Nachtzuschlag" von Tove Nilsen
"Im letzten Moment hob ich den Arm, und der  Wagen fuhr an die Seite. Ich öffnete die Tür und sagte Hallo, der Fahrer sagte  nichts, antwortete nur mit einem kurzen Nicken. Ich setzte mich nach hinten und  hatte auf einmal das Gefühl, dass etwas nicht so war, wie es sein sollte."Sie versucht es mit der Waffe, die sie beherrscht.  Worte. Die Suche nach dem richtigen Wort. Aber dieser einfältige Glaube an die  Macht der Worte! Nur in den Kreisen, in denen sie verkehrte, bewirkten Worte  etwas. Da konnte man den anderen immer erreichen, wenn man nur die richtigen  Worte fand. Aber es gab Menschen, die ausgingen, um jemanden zu finden, den sie  abstechen konnten. Es gab Männer wie den, der vor ihr stand, Männer, die sich  durchaus vorstellen konnten, das Leben eines wildfremden Menschen zu zerstören.  Sie war Schriftstellerin, lebte von der Sprache. Und sie muß erkennen, wie  gefährlich es ist, wenn die Sprache keine Chance hatte. Wenn sie nicht half,  weil das, was steuerte, tiefer und stärker als Worte war.
 Es ist ein schöner Mittsommerabend in Oslo und der  weibliche Ich-Erzähler der Geschichte, eine Schriftstellerin, hat gerade eine  Vorlesung in einem privaten Kreis über die Kunst des Romanschreibens gehalten.  Sie ist im Zentrum von Oslo auf ihrem Heimweg, als sie ein Taxi anhielt. Als  sie in das Taxi einsteigt, befällt sie ein eindeutiges Gefühl, dass etwas nicht  stimmt. "Nur die Ruhe. Bloß nicht reagieren wie diese Frauen, denen ich am  allerwenigsten ähneln wollte, die in jedem Mann einen potentiellen  Vergewaltiger sahen und hinter jedem Strauch einen Mörder vermuteten; die  ängstlichen, die sich nach Mitternacht kaum draußen aufzuhalten wagten. So war  ich nicht, ich fürchtete mich vor ganz anderen Dingen, vor Männern hatte ich  noch nie Angst gehabt." Aber die Handlung legt offen, dass sich ihre  schlimmsten Ängste bestätigen sollten. Die Beklemmung wächst, als sie merkt,  dass er eine falsche Richtung fährt, aus Oslo heraus und zu einer abgelegenen  Hütte. Und hier ist sie auf unbekanntem Gebiet. Sie, der Stadtmensch, die keine  Angst vor den Gefahren der Großstadt hat, ist nun in seinem Revier, wo seine  Regeln gelten.
 
 Und nun beginnt ein Katz und Maus Spiel mit Worten.  "Worte waren schon immer meine Stärke gewesen. Der ganze Körper mochte wie  ein Wackelpudding sein, doch die Worte behielten ihre eigene Konsistenz. Ich  hatte noch nie, nie solche Angst gehabt. Es war mehr als Angst, es war  Entsetzen. Vermutlich hatte ich bisher nicht begriffen, was Entsetzen war. Bis  zu diesem Moment. Hier. In einer Hütte im Wald. Zusammen mit einem Typen, von  dem ich nichts wusste." Und der scheinbar alles geplant hatte. Etwas, das  ihr Leben zerstören  konnte. Und das  durfte sie nicht zulassen. Sie mußte ihm immer ein Zug voraus sein.
 
 Er war kein Monster, er war nur ein Mensch. Es waren  Menschen, die Monsterdinge machten.
 
 Und nun beginnt ein Kammerspiel. Auf engstem Raum, in  der Hütte, versucht sie alles, um ihr Leben zu retten. Ein intimes Spiel um ihr  Leben, mit allen Tricks und Kniffen. Und sie erfährt viel über ihn aber auch  über sie. Und schließlich auch den Grund für ihre Entführung. Er hatte den  Boden unter den Füßen verloren, weil die Frau, auf die er gesetzt hatte, sich  als eine andere erwiesen hatte. Ihn verlassen hatte. Die Situation droht zu  eskalieren, als ein zweiter Mann auftaucht, den der Taxifahrer angerufen hatte,  um stolz seine Beute zu präsentieren. Jetzt begann der entscheidende Kampf ums  Überleben. Und sie, die die Sprache als Waffe eingesetzt hat, greift nun zu  anderen Mitteln.
 
 "Nachtzuschlag", im Original  "Kvinner om natten" dtsch. "Frau in der Nacht" ist ein  Roman über Mut, was er bedeutet, wie du ihn verlieren kannst und wie du ihn  wieder erlangen kannst. Er erforscht die Stärken und die Grenzen, die man hat,  wenn man einen weiblichen Körper besitzt. Und er ist auch ein Roman über  Sprache,  über die Stärken und Grenzen  von Sprache, darüber, wie Erzähler mißverstanden werden und wie Sprache  zurückschlagen kann.
 
 Vielen Dank an Jürgen Ruckh aus Esslingen
 © Juni 2007 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien
 
 
 
                  
 
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