Das Bett als Refugium vor dem Leben. Goethe und Mark  Twain sind manchmal überhaupt nicht aufgestanden, bei Regenwetter oder wenn  ihnen das Leben nicht gepaßt hat oder aus sonst einem schönen Grunde. »Von der  Straße herauf«, steht in einem Roman, von dem wir gleich hören werden, »vernahm  sie ab und zu das Gerumpel eines Lastwagens. In der Küche unter ihrem Zimmer  hatte sich ein klappernder Lärm erhoben. Von allen Seiten her kam das wachsende  Getöse des erwachenden Verkehrs. Sie fühlte sich hungrig und einsam. Das Bett  war ein Floß, auf dem sie als einsame Schiffbrüchige saß, ewig einsam, treibend  auf einem grollenden Ozean. Ein Schauer lief über ihr Rückgrat. Sie zog die  Knie dichter ans Kinn herauf.«
          
          
          Wäre ich nun der Reklamechef des Verlages Georg Müller,  so sagte ich: »Hätte die Dame unsere Kriminalromane Frank Hellers gekannt, so  wäre sie niemals schlechter Laune. Gegen solche Angstzustände gibt es –  abgesehen davon – nur unsre Original-Heller-Kriminalromane! Regenfeste Ironie!  Dauerhafte Spannung! Herr Collin in allen Lebenslagen!« So spräche ich, und ich  hätte nicht einmal so unrecht.
          
          Was ich über diesen Herrn Collin schon gelacht habe, das  geht auf gar keine Kuhhaut, geschweige denn auf eine Weltbühnenseite. Man lese,  was auf Seite 17 von 
›Herr Collin ist ruiniert‹ steht, und wer dabei  stockernst bleibt, dem will ich etwas schenken: eine Nagelfeile oder einen  Toilettepapierhalter mit Musik oder, was dasselbe ist, einen Band von Karin  Michaelis. Meist amüsiert man sich vom Blatt – freilich gibt es schwache Bände,  aber auch viele gute: 
›Lavertisse macht den Haupttreffer‹ und 
›Karl-Bertils  Sommer‹, die Ihnen sicher bekannten 
›Finanzen des Großherzogs‹ (bester  Offenbach!) und 
›Herrn Filip Collins Abenteuer‹. Und ehe ich einen  erschwitzten historischen Roman lese (Die römische Hochzeit Seiner Impotenz des  Achtzehnten), lese ich lieber Hellern. Man vergißt so schön das Leid der Welt –  es ist wie Whisky.
          
        Immer kann man aber nicht Whisky trinken – man sollte es  wenigstens nicht tun. Es gibt auch andre Getränke.
        
        
Autor: Kurt Tucholsky, aus Kritiken und Rezensionen "Auf dem Nachttisch"  1928
          Vielen Dank an Jürgen Ruckh/ Esslingen für die Zusammenstellung
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