| Lehrstück für kritische Zeitgenossen und Kriminologen "Mord 
          im 31. Stock" von Per Wahlöö
Eine säuberlich Buchstabe für Buchstabe aufgeklebte 
          Bombendrohung verursacht in einem Verlagsimperium Millionenschäden 
          und eine Menge Arbeit für Kommissar Jensen. Nach Ablauf des in 
          dem anonymen Schreiben vorgegebenen und folgenlos gebliebenen Ultimatums 
          beginnt die akribische Recherche des Kriminalisten. Geheimnisvoll unscharf 
          bleibt ihm dabei der 31. Stock des eigentlich nur 30 Stockwerk hohen 
          Verlagsgebäudes und was dort - von niemand auch nur geahnt - vor 
          sich geht. Jensen vermutet schnell, welcher Personenkreis für den 
          Drohbrief verantwortlich sein kann. Das verwendete Papier stieß 
          ihn förmlich darauf. Mühsam, gnadenlos konzentriert und nahezu 
          emotionslos besucht und befragt er seine ausgewählten Verdächtigen. 
          Immer deutlicher scheint sich für ihn die Motivlage zu entblößen. 
          Als Leserin oder Leser bleibt dennoch die Ungewissheit und lange noch 
          offene Fragen.Vielen Dank an Uli Geißler, 
        Freier Journalist und Autor aus Fürth / BayernDie sich mit jeder Befragung mehr und mehr abzeichnende Motivlage für 
          die in besagten Drohschreiben angekündigte Racheaktion zieht sich 
          als verdichtende Erkenntnisssituation immer enger zusammen. Jensen weiß 
          am Ende Bescheid und glaubt den Fall gewaltfrei und unexplosiv gelöst. 
          Das tatsächliche Ende scheint jedoch ganz anders zu sein.
 Der Autor erzählt eine düstere Geschichte vom Verlust einer 
          Errungenschaft demokratischer Staatsentwicklung, der Pressefreiheit. 
          Unerträglich für einen aufgeklärten Menschen verdichtet 
          sich die Verlagslandschaft bei gleichzeitiger Banalisierung von Themen 
          und Inhalten der Massendruckerzeugnisse. Redakteurinnen und Redakteure 
          verdrängen offensichtlich ihren journalistischen Ehrenkodex zunächst 
          kaum merklich und schließlich unabänderlich zum Schaden der 
          freien Meinungsäußerung.
 Die Auswirkungen auf eine Gesellschaft deutet er weniger mit klaren 
          Worten, denn mit eindeutig nachspürbaren Emotionen an. Das wirkt 
          und obgleich es ein Roman, eine fiktive Geschichte ist, bleibt etwas 
          im Denken haften, das aufrüttelt und zur steten Wachsamkeit auffordert. 
          Auch wenn sich heutzutage die Presse- und Meinungslandschaft so ganz 
          anders darstellt - oder vielleicht gerade deshalb - behält die 
          Geschichte ihren kritischen Nutzen und Anspruch.
 
 Es ist ein spannender, moralisch-politischer Roman mit Nachwirkung, 
          der im Kleid einer spannenden, nahezu unblutigen Kriminalgeschichte 
          daher kommt.
 © August 2004 Redaktionsbüro Geißler für das Literaturportal 
        schwedenkrimi.de
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      | Sozialkritik aus Schweden "Verschlossen 
          und verriegelt" von Per Wahlöö/Maj Sjöwall
Bis vor kurzem war ich bekennende Edgar Wallace, bzw. 
          Agatha Christie-Leserin. Na ja, eigentlich bin ich noch heute eine, 
          aber damals las ich ausschließlich Krimis dieser zwei Autoren, 
          wenn's hochkam vielleicht noch Bücher von Francis Dubridge, Dorothy 
          L. Sayers oder Elizabeth George. Den verzweifelten Versuchen meiner 
          Eltern mein Interesse in literarisch wertvollen Kriminalromanen zu wecken 
          hielt ich mehr oder weniger ausdauernd stand. Natürlich schlichen 
          sich hin und wieder ein paar Ausnahmen in mein Repertoire, so kam ich 
          nicht daran vorbei Bestseller wie Der Club Dumas, die Sneaky Pie Brown 
          Bücher oder Die Tote im Schnee zu lesen, aber Kunstbanause wie 
          ich war hinterließen genannte Bücher keinen all zu großen 
          Eindruck bei mir.Vor kurzem landete per Zufall dann das Buch "Alarm in Sköldgatan" 
          (Originaltitel: Brandbilen som försvann) von Maj Sjöwall und 
          Per Wahlöö bei mir auf dem Schreibtisch. Es war ein ziemlich 
          abgewetztes Taschenbuch, bemerkenswert nur durch die Widmung: "Für 
          meine Leseratte - damit Du erkennst das nicht alle guten Detektive auch 
          Helden sind. L.N. 1970". Die Ironie der Situation war nicht zu 
          verkennen: da musste jemand mit den gleichen Initialen wie meine Mutter 
          vor 30 Jahren mit dem gleichen Problem konfrontiert gewesen sein wie 
          sie jetzt. Auf jeden Fall machte ich mich daran das Buch zu lesen - 
          und war begeistert.
 
 
 
                  
 
                    | Buchtipp |  
                    |  |   Bei den Autoren Maj Sjöwall und Per Wahlöö handelt es 
          sich um ein Autoren-Ehepaar aus Schweden. Per Wahlöö wurde 
          1926 in Göteborg geboren und arbeitete ab 1946 für längere 
          Zeit als Journalist (er war Kriminalreporter für eine Zeitschrift). 
          In den fünfziger Jahren ging er nach Spanien, wurde jedoch 1956 
          vom Franco-Regime ausgewiesen. Seine anschließenden Reisen führten 
          ihn um die halbe Welt, bevor er sich wieder in Schweden niederließ 
          und anfing als Schriftsteller zu schreiben. Bereits bei seinen frühen 
          Büchern handelt es sich um politisch stark angehauchte Werke. 1961 
          lernte er seine spätere Frau Maj Sjöwall kennen. Maj wurde 
          1935 in Stockholm geboren und arbeitete zu der Zeit als sie sich trafen 
          als Mitarbeiterin des Herausgebers Wahlström und Vidstradt. Ein 
          Jahr nach ihrer Begegnung heirateten Wahlöö und Sjöwall 
          und entschieden sich bald dafür zusammen Bücher zu schreiben: 
          Kriminalromane, um sich eine große Leserschaft zu beschaffen, 
          aber mit intellektuellem Unterton und starker politischer Motivation. 
          Sie schufen den Zyklus von 10 Bänden abends, nachdem sie ihre Kinder 
          zu Bett gebracht hatten und ihr Ziel war (laut Wahlöö) " 
          den Kriminalroman als Skalpell zu benutzen um den Bauch des, ideologisch 
          verärmten und moralisch umstrittenen, sogenannten Wohlfahrtsstaat 
          des Spießbürger Typus, zu öffnen". Das Resultat 
          dieser Ideologie wurde die Kriminalserie um Kommissar Martin Beck und 
          seine Kollegen von der Reichspolizei, von der insgesamt 10 Bücher 
          veröffentlicht wurden, der letzte Band bereits nach Wahlöös 
          Tod. Es handelt sich hierbei um gnadenlose Berichte über die schwedische 
          Gesellschaft der Sechziger und Siebziger, die - nicht überraschend 
          - zu der Zeit in Schweden nicht all zu großen Anklang fanden und 
          erst Ende der achtziger Jahre wiederentdeckt wurden. International allerdings 
          hatten die zwei Autoren großen Erfolg und erhielten 1971 sogar 
          den Edgar Award für "Endstation für neun", den vierten 
          Krimi der Serie. Bei "Verschlossen und verriegelt" 
          handelt es sich um Band 7 aus der Martin-Beck-Saga, wir nähern 
          uns also dem Ende, was auch an dem Stil des Buches spürbar ist. 
          Unter dem Originaltitel "Det slutna rummet" (Der verschlossene 
          Raum?) erschien das Buch 1972 in Schweden und wurde 1975 auch in deutscher 
          Übersetzung vom Rowohlt Verlag herausgegeben.Vielen Dank an Uschi Symmons
 Aber fangen wir am Anfang an. Bei der Story handelt es sich um zwei 
          Fälle die parallel - und scheinbar unabhängig - zu einander 
          laufen. Im einen Fall wird ein Bankraub verübt, am helllichten 
          Tag, in der Mitte von Stockholm und das Sonderdezernat für die 
          Aufklärung für Banküberfälle tappt im Dunkeln. Besser 
          gesagt: das Sonderdezernat, unter der Leitung des hyperaktiven Staatsanwalts 
          "Bulldozer" Olsson und mit Lennart Kollberg, Einar Rönn 
          und Gunvald Larsson als Verstärkung, befindet sich auf der komplett 
          falschen Fährte. Trotzdem machen sie sehr gute Fortschritte um 
          die berühmtesten Bankräuber in Schweden (Malmström und 
          Mohrén) zu schnappen die erst vor kurzem aus dem Gefängnis 
          ausgebrochen sind und jetzt das "ganz große Ding" planen. 
          Das einzige Problem - die Ermittler übersehen die Kleinigkeit von 
          700 Kilometern.
 Bei dem anderen Fall handelt es sich um einen Toten der sechs bis acht 
          Wochen in seiner Wohnung vermoderte bevor seine Leiche aufgrund des 
          Verwesungsgeruchs gefunden wurde. Es dauert weitere zwei Wochen bevor 
          die Akte Karl Edvin Svärds bei Kommissar Martin Beck auf dem Schreibtisch 
          landet. Beck seinerseits kommt gerade nach einer schweren Schussverletzung 
          und anschließender fünfzehnmonatiger Rekonvaleszentenzeit 
          zum ersten Mal wieder ins Büro und wird zwischendurch von Depressionen 
          geplagt und geht den Fall sowieso recht lustlos an, da er in seiner 
          langen "Beurlaubung" genug Zeit hatte sich über die Macken 
          und Fehler im schwedischen Polizeisystem klar zu werden. Überhaupt 
          gibt's keinen Mangel an Fehlern. Der ganze Fall Svärd scheint nichts 
          als verpfuschte Polizeiarbeit zu sein. So soll der Frührentner 
          Svärd sich selbst eine Kugel ins Herz gejagt haben und somit Selbstmord 
          begangen haben, eine andere Möglichkeit gibt es nicht, denn die 
          Wohnung des Toten war von innen "verschlossen und verriegelt" 
          und musste von der Polizei erst aufgebrochen werden bevor sie an die 
          Leiche herankonnten. Wieso aber dann steht in den Polizeiakten nichts 
          über eine sichergestellte Waffe fragt sich Kommissar Beck - mit 
          Recht, wie es sich später herausstellt, denn in den Raum lag tatsächlich 
          keine Waffe. Wie also konnte sich der Mann ohne Waffe erschießen? 
          Und während Beck dieser Frage vom Schreibtisch aus nachgeht werden 
          scheint der Fall immer verwirrender.
 
 Mehr möchte ich nicht verraten, es muss allerdings gesagt werden, 
          dass das Ende überraschend und nicht ohne jegliche Ironie ist. 
          Überhaupt haben die Autoren in diesem Buch die Inkompetenz des 
          politischen, juristischen und polizeilichen Systems sehr hervorgehoben 
          und lassen es als vollkommen lächerlich erscheinen. Hier muss unbedingt 
          meine Lieblingsszene erwähnt werden, wo das Sonderdezernat für 
          Banküberfälle eine leere Wohnung erstürmt - mit dem Resultat, 
          dass es hinterher fünf verletzte Polizisten und einen angeschossenen 
          Polizeihund zu entfernen gibt. Eine dreiseitige Beschreibung bei der 
          mir immer wieder Lachtränen die Wangen herunterkullern wenn ich 
          sie lese. Es ist auch herrlich zu lesen, wie das Gangsterpaar das ganze 
          Sonderdezernat überlistet, davon gar nicht erst zu sprechen, wie 
          der Übeltäter Filip Mauritzon für zwei Banküberfälle 
          und einen Mord verurteilt wird die er nicht begangen hat und dafür 
          für seine einzige wirkliche Übeltat freigesprochen wird. Martin 
          Beck verliebt sich und überkommt so seine Depressionen während 
          er gleichzeitig seinen Fall so genial löst, dass er dadurch die 
          gefürchtete Beförderung doch nicht bekommt.
 
 Das Buch ist genial witzig geschrieben und ich kann es auf jeden Fall 
          nur empfehlen, allerdings würde ich die politischen Äußerungen 
          nicht für bare Münze nehmen, immerhin wurde das Buch vor fast 
          30 Jahren geschrieben ist also nicht mehr ganz aktuell. Trotzdem ist 
          der Krimi so hinreisend wie eh und jeh und die Spannung beruht nicht 
          nur darauf die Täter zu finden, sondern hat viel mehr Tiefe, ist 
          viel hintergründiger.
 
 Allen viel, viel Spaß beim Lesen und glaubt mir - dieses Buch 
          ist ein Muss für jeden Krimi-Fan!
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